Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V

Lippische Rose

 

„Aus Liebe, Treue und Freundschaft“

Zur Erinnerung an den 500-jährigen Todestag von Bernhard VII. Edler Herr zur Lippe

von Willy Gerking

In der  Reihe der Edelherren zur Lippe war Bernhard VII. wohl eine  der herausragendsten Persönlichkeiten. Vor allem durch seine zahlreichen kriegerischen Aktivitäten, denen er bis ins hohe Alter nachging,  machte er sich einen bleibenden Namen: Bernhard Bellicosus = der Kriegerische. Nach Aussage der lippischen Regesten nahm er mindestens an 36 Fehden teil, die er entweder selbst ankündigte und führte oder auf die er direkt bzw. indirekt Einfluss nahm, indem er sie als Verbündeter durch die Entsendung von Truppen oder Geld unterstützte. Sicher war Bernhard auch eine bedeutende Person seiner Zeit, mit der seine Nachbarn rechnen mussten.  

Bernhard VII zur Lippe
Edler Herr Bernhard VII zur Lippe

Geboren wurde der edle Herr am 4. Dezember 1428.   Bernhard wurde als erstes Kind und erster Sohn seiner Eltern Simon IV. und Margaretha von Braunschweig-Grubenhagen geboren, vermutlich in der Burg Blomberg, die in seinen frühen Regierungsjahren auch seine Residenz war. Da Bernhards Vater im Jahr seiner Geburt starb, wurde der Junge unter die Vormundschaft seines Onkels Otto und dann unter die des Kölner Erzbischofs Dietrich II. von Moers gestellt. 1446, also im jugendlichen Alter von etwa 17 Jahren, übernahm er die Regierung in seiner Herrschaft. Tatsächlich ist der Beginn seines regierungsamtlichen Handelns schon früher anzusetzen, denn bereits als Zehnjähriger unterzeichnete er Urkunden und ging Vereinbarungen mit anderen Herrschaften ein, wobei Bernhard dieses allerdings wohl mehr formell tat, denn die Feder führten ihm dabei seine Räte, wie es in den Urkunden heißt. 

Als Bernhard 14 Jahre alt ist, kommt es zu einem Ehevertrag zwischen ihm und dem Grafen Otto von Holstein und Schaumburg. Am 15.9.1443 beurkunden beide Seiten, dass Bernhard innerhalb der folgenden fünf Jahre  Graf Ottos Tochter Anna heiraten und mit ihr auf seinem Schloss Brake wohnen solle. Gleichzeitig vermachte er seiner künftigen Frau das Schloss als späteren Witwensitz, doch geheiratet wurde (angeblich) erst 1452, obwohl die erste Tochter Anna zur Lippe „um 1450“ und die zweite Tochter Margarethe „um 1452“ geboren wurde. Insgesamt entsprossen der Ehe sieben Kinder, darunter Sohn Simon, der als Simon V. seinem Vater in der Regierung folgte.

Das vorrangige Wirken Bernhards bezog sich naturgemäß auf die Befriedung seines Herrschaftsbereichs nach innen sowie auf die „Außenpolitik“, die er in mindestens 29 Bündnissen mit anderen Herrschaften abzusichern suchte. Noch vor dem eigentlichen Regierungsantritt schloss er am 6.1.1444 mit dem ihm durch seine spätere Heirat verwandten Hause Holstein und Schaumburg ein Schutz- und Trutzbündnis, in das auch Konrad von Rietberg einbezogen war. Das Bündnis mit den Schaumburgern wurde später mehrmals erneuert und war für ihn von vorrangiger Bedeutung. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Einlösung der ruinierten Burg Sternberg am 16.4.1444, die sich zuvor als Pfandobjekt in fremden Händen befand. Bernhard ließ die Burg wiederherstellen und befestigen, was sich in der Soester Fehde als sehr wirksam herausstellen sollte, denn sie konnte von den Sachsen und Böhmen nicht erobert werden.

Die Soester Fehde sollte für den Achtzehnjährigen zur wohl schwersten Bewährungsprobe seiner gesamten Regierungszeit werden, die übrigens auch die erste in der langen Reihe der noch kommenden Fehden war. Sie begann 1444. Damals hatte sich die Stadt Soest aus der Botmäßigkeit des Kölner Erzbischofs gelöst und sich unter den Schutz des Herzogs von Kleve-Mark gestellt, der sich darauf von der Stadt Soest huldigen ließ. In dem nun ausbrechenden Konflikt suchten beide Seiten nach Verbündeten, die Kleve u.a. in Bernhard VII. fand. Da zu der Zeit die einst lippische Stadt Lippstadt sich als Pfand in den Händen der Klever befand, gewann Herzog Johan v. Kleve-Mark Bernhard dadurch, indem er mit ihm und dessen Bruder Simon am 29.6.1444 einen Vertrag schloss, der ihnen die Hälfte der Stadt zu freiem Eigentum zurückgab und in dem der Herzog auf die eigentlich fällige Pfandsumme von 8000 Mark verzichtete. Die andere Stadthälfte blieb bei Kleve. Somit befand Bernhard sich inmitten des Konflikts, der sich über die Jahre hinzog und von verschiedenen Kämpfen geprägt war. Ihren Höhepunkt erreichte die Fehde im Juni 1447, nachdem der Erzbischof von Köln Truppen aus Sachsen und Böhmen angeheuert hatte, die in einem verheerenden Kriegszug in Lippe einfielen und das Land in grausamster Weise heimsuchten. Die von Höxter heranrückenden Truppen plünderten nicht nur das Kloster Falkenhagen aus, sondern zerstörten Elbrinxen, Schieder, Wöbbel und dann Blomberg. Während dieser Bewegungen erhielt Bernhard, der sich beim Herzog von Kleve im Kriegslager in Werl aufhielt, dessen Erlaubnis, in sein Land zurückzureiten, um es zu verteidigen. Doch als Bernhard in Blomberg ankam, war die Einnahme der Stadt bereits in vollem Gange. Er konnte für ihre Rettung nichts mehr tun, sondern fand gerade noch die Gelegenheit, sich mit seiner Mannschaft durch Flucht in den Hurn in Sicherheit zu bringen. Anschließend, so heißt es, flüchtete er über Lügde nach Hameln, wo er sich, in einem Fass versteckt, auf ein Weserschiff begab und Zuflucht bei seinem Schwiegervater Otto v. Schaumburg fand. Lippe indes wurde verwüstet und die Städte Blomberg und Detmold nahezu zerstört, während sich Lemgo und Horn nur durch Freikauf vor der Plünderung retten konnten. Die Fehde, durch die Bernhard nichts gewonnen, aber viel verloren hatte, wurde formell erst 1449 beigelegt. Noch 1495 machte er beim Erzbischof von Köln geldliche Forderungen als Schadenersatz für erlittenes Unrecht geltend.

Tumba Bernhard VII zur Lippe

Bild zeigt die Tumba Bernhards VII. und seiner Gemahlin an der ursprünglichen Stelle in der ehem. Klosterkirche in Blomberg. Erst nach 1950 wurde das Grabmal in den Chor der Kirche versetzt.

 (Quelle: Lippische Landesbibliothek BABL-1-5)

Bernhard VII. war ganz ein Mensch seiner Zeit. Sein kriegerisches Verhalten teilte er mit vielen Standesgenossen, denn schon das 13. und besonders auch das 14. Jahrhundert war eine fehdereiche Epoche. Einmal geschlossene Bündnisse konnten schnell aufgekündigt und in ihr Gegenteil verkehrt werden. Nach der Soester Fehde stieg Hessen zur lippischen Schutzmacht auf, was 1449 durch ein Verteidigungsbündnis „aus Liebe, Treue und Freundschaft“ besiegelt wurde. Den Hessen standen somit alle lippischen Städte offen, Blomberg und seine Burg wurden dem Landgrafen übergeben, der beide Teile wieder an Bernhard als Erbmannlehen zurückgab. Dieses Lehen wurde später noch fünfmal erneuert. Die Bereitschaft zur Fehde hatte oft handfeste Gründe. Ein Kriegszug richtete sich gegen den Bischof von Minden, der die Eversteinsche Fehde, die 1409 zum Abschluss kam, genutzt hatte, sich der Burg Wedigenstein bei Porta widerrechtlich zu bemächtigen, obwohl sie sich in lippischem Pfandbesitz befand. 1450 kündigten Bernhard und der Mitpfandinhaber Wedekind v. Lerbeck dem Bischof Fehde an. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war die Einnahme der Ulenburg, die Bernhard mithilfe Herforder Bürger gewann. Die Brüder von Quernheim, die die Burg pfandweise vom Bischof innehatten, mussten sie an den Edelherrn abtreten, der sie ihnen aber als Lehen zurückgab. Einen handfesten Grund zur Fehde gab es auch 1451 gegen die Grafen von Tecklenburg. Sie hatten sich 1365 in einer Fehde der einst durch Erbschaft an Bernhard II. und damit an Lippe gekommenen Stadt Rheda bemächtigt, die Bernhard sich zurückholen wollte. Doch gelang ihm das trotz jahrelanger kriegerischer Überfälle, wie 1451 z.B. im Amt Grönenberg oder in der Stadt Melle, nicht. Ebenso wenig  halfen ihm die verschiedenen Bündnisse. Im März 1453 fiel Bernhard mit Hilfe der ihm verbündeten Schaumburger in das Stift Münster ein, plünderte das Dorf und ganze Kirchspiel Harsewinkel, raubte Vieh und Leute und brachte das geraubte Gut auf die Falkenburg im Teutoburger Wald, wobei der Abt des Klosters Marienfeld ihm noch vorher die Gefangenen abnehmen konnte. Als dieser Kriegszug auf der Falkenburg gefeiert wurde, brach ein verheerendes Feuer aus, das große Teile der Burg zerstörte. Doch trotz dieses Vorkommnisses zog Bernhard erneut ins Tecklenburgische. Schon im Juni 1453, fünf Tage vor Pfingsten, überfiel und plünderte Bernhard das Kloster Herzebrok und beschädigte die Bewohner der Herrschaft Rheda. Graf Nicolaus von Tecklenburg wehrte sich, wobei es ihm gelang, 150 lippische Krieger, darunter zahlreiche Ritter, gefangen zu nehmen. Bernhard konnte sich nur durch Flucht retten, die ihn in die Obhut des Bürgermeisters von Wiedenbrück führte. Erst nach Vermittlung durch Erzbischof Dietrich von Köln und Herzog Gerhard v. Jülich kam es am 10.10.1456 zwischen den verfeindeten Parteien zum Vergleich. Sie versprachen sich einen „festen Frieden“. Um die Gefangenen frei zu bekommen, musste Bernhard 1700 Florin Lösegeld zahlen. Das Geld überwiesen die lippischen Städte. Erst 1491 verzichteten  er und seine Familie im Rezess von Wiedenbrück endgültig auf die Herrschaft Rheda. Die wenigen Beispiele mögen die Konfliktfreudigkeit und –fähigkeit des Edelherrn belegen, doch es gab noch viele andere schwer wiegende Fehden, so gegen die Landgrafen von Hessen oder die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.

Während seiner Regierungszeit residierte Bernhard in den Burgen von Blomberg und Detmold, die er nach Zerstörungen bzw. Beschädigungen wieder aufbauen ließ. Als Glied der spätmittelalterlichen Gesellschaft lebte er ganz selbstverständlich seinen katholisch-christlichen Glauben. In den Glaubensvorstellungen unterschied er sich nicht von seinen Standeskollegen, z.B. wenn es darum ging, bereits auf Erden gute Taten zu vollbringen, um sich im Jenseits einen gebührenden Platz zu sichern. Dazu gehörte für einen Adligen auch, ein Kloster zu stiften, das gleichzeitig für eine spätere Grablege vorgesehen war. Bereits 1460 hatten Bernhard und sein Bruder Simon nahe dem Detmolder Schloss ein Hospital bauen lassen. Im selben Jahr ließ Bernhard über einen Brunnen in Blomberg eine Kapelle und einen Altar errichten. In diesen Brunnen hatte die Blombergerin Alheidis gestohlene Hostien geworfen, worauf sie später hingerichtet wurde. Der Brunnen erwies sich als wundertätig und wurde zu einem Wallfahrtsort. Zwei Jahre später erteilte Papst Pius II. der neuen Kapelle die Bestätigung. Doch bereits 1469 ließ Bernhard anstelle der Kapelle ein Kloster errichten, welches er mit Augustiner-Mönchen besetzte. Zu den guten Werken gehörte sicher auch die Wiederherstellung der zerstörten Kirche in Bösingfeld, an der sich Bernhard gemeinsam mit seiner Frau Anna 1492 beteiligte.

Im Februar 1463 gewann Bernhard in seinem Bruder Simon einen wichtigen Helfer, als  der zum Fürstbischof von Paderborn geweiht wurde. Bis zu dessen Tod am 7.3.1498 waren die Brüder einander verlässliche Partner. 

Bernhard wirkte an mindestens 29 Bündnissen mit. Der überwiegende Teil waren gegenseitige Schutz- und Trutzbündnisse, die der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit, andere, die der vorübergehenden Befriedung nach einer Fehde dienten. Als auf Anordnung des Kölner Erzbischofs Ruprecht am 14.6.1477 in seiner Diözese ein Landfriedensbündnis zwischen der Ritterschaft, den Städten und der Landschaft des Stiftes zustande kam, wurde Bernhard als „Marschall in Westfalen“ bezeichnet, wogegen sich die Landschaft verwahrte. Das Amt des Marschalls wurde vom Erzbischof verliehen und beinhaltete, dass der Inhaber unmittelbarer Stellvertreter des Erzbischofs war und dessen Aufgaben bei Abwesenheit wahrnahm. Noch in einer weiteren Urkunde vom 25.6.1480 wird Bernhard als Marschall in Westfalen bezeichnet. Demnach dürfte er das Amt trotz landschaftlicher Vorbehalte ausgeübt haben. Zu den bedeutenden Bündnissen gehörte auch das vom 22.2.1471, welches die Sicherheit auf den Straßen, besonders den freien Warenverkehr und den Schutz der Kaufleute garantieren sollte. Doch wer sich frei bewegte, konnte auch schnell der Willkür ausgesetzt sein, z.B. als Bernhard am 18.7.1470 einen Knecht des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg „auf der gemeinen Heerstraße“ nahe Blomberg gefangen nehmen und anschließend aufhängen ließ, weil er verschiedener Viehdiebstähle bezichtigt wurde.

Wie der lippische Edelherr Bernhard im persönlichen Umgang war, wissen wir nicht. Aus Haushaltsrechnungen ist überliefert, dass er gern Hamelner Bier trank und auch sonst gut lebte. Seine Töchter verheiratete er nach dynastischen Erwägungen, Sohn Simon wurde nach dem Prinzip der Primogenitur sein Nachfolger. Sein jüngerer Sohn Bernhard starb bald nach seinem Vater an einer Kriegsverletzung. Außer den ehelichen Kindern hatte Bernhard noch mindestens drei Töchter, die in einem Lemgoer Nonnenkloster untergebracht waren. Am 23.9.1495 starb Bernhards Ehefrau Anna nach etwa 45-jähriger Ehe. Er war damals 66 Jahre alt.

Im Februar 1508 bat Bernhard die lippischen Städte, ihn finanziell für einen bevorstehenden Rom-Zug zu unterstützen, den der Kaiser bereits wiederholt angeordnet hatte. Doch er musste erleben, dass ihm die Unterstützung versagt wurde. Die Städte hielten ihm vor, ihm immer treue Dienste geleistet und mit Geld und Sachmitteln unterstützt zu haben, was ihnen schwere Belastungen eingebracht habe. Aber vom römischen Kaiser hätten sie nichts. Sie würden nur beschwert, selbst im lippischen Lande müssten sie Zoll für ihre Waren entrichten. Darum bäten sie, aus seiner Forderung entlassen zu werden. Bernhard hielt ihnen in einer Art Rechtfertigung entgegen, dass er habe Fehden führen müssen, um den Frieden erhalten zu können. Er selbst habe keinen Gewinn davon gehabt, sondern vielmehr sein Leib, Leben und Gut darangesetzt und dabei viel verloren. Am Ende einigten sich die Städte auf Sachleistungen.

Noch 1509, also im Alter von 80 Jahren, zog Bernhard nach Osnabrück, wo er der Amtseinführung des neuen Bischofs Erich v. Braunschweig-Lüneburg beiwohnte.

Am Ende seines Lebens bestellte der edle Herr sein Haus. 1510 schloss er noch einen Erbverbrüderungsvertrag mit dem verwandten Haus v. Schaumburg ab. Im selben Jahr verfügte er in seinem Testament die Teilung der Herrschaft Lippe, indem er beiden Söhnen unter Nennung der entsprechenden Orte die jeweiligen Teile zuwies. Damit wollte er möglichen Zwist zwischen den Brüdern nach seinem Tode vermeiden. Gleichzeitig machte er klar, dass die Teilung aber nur bis zum Tode der Söhne gelten solle. Als Bernhard d.J. am 19.7.1513 in Brake starb, hatte sich dieser Teil des Testaments erledigt.

Bernhard VII., Edler Herr zur Lippe, starb am 2. April 1511 nach einem an Erlebnissen überreichen Leben auf dem Lippehof in Lemgo. Er wurde neben seiner Frau Anna in der von ihm gestifteten Klosterkirche in Blomberg beigesetzt. Die an das Herrscherpaar erinnernde Tumba, hervorgehoben an prominenter Stelle im Kirchenschiff, ist eines der kunsthistorisch bedeutendsten Denkmäler in Lippe. Bernhard war der letzte Edelherr, denn sein Sohn Simon erlangte 1528 als erster aus dem Hause zur Lippe die Grafenwürde.

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