Vom Kirchenbuch zur Datenbank
Artikel aus der Lippischen Landeszeitung vom 25.05.2005
GEBURTSTAGE DER ARCHIVE: Familienforscher und Archivare arbeiten heute eng zusammen
Detmold. 40 Jahre Personenstandsarchiv Westfalen-Lippe und 50 Jahre Nordrhein-westfälisches Staatsarchiv sind in diesem Jahr ein guter Anlass für eine Jubiläumsfeier. In der Detmolder Einrichtung, die beide Archive beherbergt, wird sie am 23. Juni die Form einer Kulturnacht haben. Für die LZ liefern die Geburtstage den Anlass zu einer Artikel-Serie, die die beiden Archive in den nächsten Wochen näher beleuchten wird.
|
Im Fluss der Entwicklung: Dr. Bettina Joergens beschreibt die
Bandbreite der Recherchemöglichkeiten anhand moderner
Computerprogramme und alter Karteikästen.
Foto: Gerstendorf-Welle Text: von Stefan Derschum |
Im ersten Teil der Serie steht die Zusammenarbeit von Familienforschern und Archivaren bei der Entwicklung der Archivbestände im Mittelpunkt.
Es ist dieselbe Vergangenheit, sind dieselben Namen, Zahlen, Informationen, und doch liegt ein archivarischer Quantensprung zwischen den beiden Abbildungen dieser Vergangenheit, die Dr. Bettina Joergens zeigt. Die Archivarin - sie ist die zuständige Dezernentin für das Personenstandsarchiv - erklärt die Entwicklung der Recherchemedien beispielhaft: Auf eine Leinwand projiziert sie mit einem Beamer digitale Bilder von Kirchenbüchern und Excel-Tabellen, die Historikern und Familienforschern die vorvorgestrigen Verhältnisse auf einem modernen Tablett servieren.
Im scharfen Kontrast dazu hat Dr. Bettina Joergens fast archaisch anmutende Kästen auf einem Tisch gestapelt. Kästen aus Holz. Andere bestehen aus fester, mittlerweile angegilbter Pappe, "Bünder Margarine-Werk" steht dort aufgedruckt. Doch der Inhalt bietet keinen Aufstrich. Stattdessen Einblicke - in Hohenhausener Vergangenheit. "Der Heimatforscher Walter Otto hat uns diese zahllosen Karteikarten zur Verfügung gestellt. Es sind die Karten Hohenhausener Kirchenbücher, die bis ins späte 19. Jahrhundert viel über die dortigen Geburten, Hochzeiten und Todesfälle verraten", sagt die promovierte Historikerin und Archivarin. Man werde diesen "Schatz" demnächst in die bereits vorhandene Kartei lippischer Kirchenbücher einordnen, kündigt sie an und beginnt die Bedeutung der Zusammenarbeit von Staats- und Personenstandsarchiv und Familienforschern anzupreisen. Wobei die beiden Einrichtungen von dieser Zusammenarbeit durchaus fundamental profitieren. "Diese Familienforscher sind so unglaublich fleißig. Sie vertiefen sich derart in die Bücher - das könnte hier in solch expliziter Form niemand leisten", gesteht Dr. Bettina Joergens.
Neben den "Margarine-Kästen" liegt ein weiterer Beweis für diesen Eifer: CD-Roms. "Lippische Kirchenbücher". "Horn". "Brake". "Heiden". "Lage". Kurt Begemann hat den digitalen Inhalt der Scheiben auf Kärtchen unter der Plastikhülle notiert. Früher fotografierte er die Kirchenbücher ab, heute scannt er sie ein und brennt die binären Daten auf CD-Rom. "Auch Kurt Begemann hat uns so wichtige Informationen besorgt, über die wir bislang nicht verfügten", sagt die Dezernentin des Personenstandsarchivs. Man habe jetzt damit begonnen, die CD-Roms einzuordnen und mit Signaturen zu versehen. Dr. Bettina Joergens erläutert pragmatisch: "Die Inhalte sind dadurch über ein Findbuch im Lesesaal leicht recherchierbar."
Aber das Forschen in den Datensätzen längst vergangener Zeiten und Menschen soll noch einfacher und gleichzeitig tiefer gehend werden. Seit vergangenem Jahr werden nach und nach die Bestände der Kirchenbuchduplikate, aber auch der Zivilstandsregister digitalisiert, mehr als 41 000 Aufnahmen von Büchern des Fürstentums Lippe liegen bereits auf Speichermedien der schönen, neuen Welt. "Wir wollen zukünftig nicht nur die Scans anbieten, sondern weitere Informationen", betont Dr. Bettina Joergens die nächste Stufe für einen Blick ins Gestern, der über Personen und kalendarische Angaben hinweg reicht. Welche Ortsnamen kommen vor? Welche Berufe? Gibt es Auffälligkeiten bei den Sterbefällen? Auch für Lokal-, Demographie - und Alltagsforscher könnte sich ein reiches Feld eröffnen.
"Dieses Jahr kommt die ,Edition Detmold'"
Dr. Bettina Joergens
Die erste Etappe ist vorgegeben, auch ihr Ziel. "Es wird sicherlich in diesem Jahr schon das erste Exemplar einer DVD ,Edition Detmold' geben, auf der die Scans der Kirchenbuchduplikate gebündelt sind", kündigt Dr. Bettina Joergens an. Im zweiten Schritt und vielen weiteren setzt die Expertin wieder auf die Unterstützung der "fleißigen" Basis: "Wir würden uns wünschen, wenn die Familienforscher die Kirchenbücher - vielleicht auch von einer DVD der ,Edition Detmold'- abschrieben und bei uns in Form von standardisierten Excel-Tabellen mit ihrem Namen auf einer nächsten Ausgabe der DVD veröffentlichten." So kämen die Hobby-Genealogen ganz nebenbei zu einer Publikation.
Die Vereinheitlichung der Abschriften nach Vorschlägen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde in einem Datenbank-Programm ermögliche viele bislang fast unrealisierbare Recherchen nach Querverbindungen oder Auffälligkeiten in der Geschichte. Informationen, die das Blättern in alten Karteikästen nicht preisgeben kann. Auch wenn oft viel mehr drin ist als "Bünder Margarine".
Für Fragen zum Thema steht Dr. Bettina Joergens unter (0 52 31) 76 61 12 zur Verfügung.
Bezugsquelle der DVDs
Zurück |