Tod und Begräbniss
Fritz Platenau Istrup †
Vom Tode wurde nicht gern gesprochen und das Wort nach Möglichkeit vermieden, solange der hoffnungslos erkrankte Mensch noch atmete. Mir ist; nur eine Redensart bekannt, in der das Wort Tod gebraucht wurde. Diese lautete: 'Heu licht up den Daud' -Er liegt auf den Tod. Es wurden Umschreibungen gewählt, die wahrscheinlich von Ort zu Ort verschieden waren. Ich erinnere mich an folgende Umschreibungen: 'Heu sitt änne up der Tungen' -~ Er sitzt ihm auf der Zunge. 'Et wärt duister ümme änne' = Es wird dunkel um ihn. 'Heu maket seck färg' = Er macht sich fertig. 'heu ess unnerwegons' =- Er ist unterwegs. 'Heu hat ankloppet' -Er hat angeklopft (Der Tod).
War der Tod eingetreten, wurde dies in der Nachbarschaft angesagt und es war selbstverständlich, dass jede mögliche Hilfe angeboten wurde. Ein schöner Brauch hat sich hier sehr lange gehalten. War ein -Bauer oder eine Bäuerin gestorben, wurde dies nicht nur bei Verwandten und Freunden, sondern auf allen zur Bouerschaft (Dorfgemeinde) gehörenden Höfen, auch in den abgelegenen Ortsteilen (hier Holstenhöfen, Riechenberg und Nassengrund), angesagt. Nassengrund nahm hierbei insofern eine Sonderstellung ein, als hier wohl der Tod angesagt, aber nicht zum Begräbnis eingeladen wurde. Zur Ansage des Todes wurden zwei auf dem betr. Höfe beschäftigte Mägde 'lausschicket' -- losgeschickt, oder Junge Mädchen aus der Nachbarschaft darum gebeten, diese Nachbarschaftshilfe zu übernehmen. Dies wurde nie abgelehnt, auch wenn die Familien sich sonst am liebsten aus dem Wege gingen. Männer oder verheiratete Frauen wurden für diese Gänge nicht genommen. Das ältere der beiden Mädchen sagte den Tod auf den Höfen, das Jüngere bei den Verwandten und Freunden an. In beiden Fallen geschah dies mit den Worten:
Eck häbbe eunen Scheunen Griuß van der Famüilje.......un sall ansöjjen, datt de Biuer in der läßten Nacht mie Daue affgohn ess' - Ich habe einen schönen Gruß von der Familie....... und soll ansagen, daß der Bauer in der letzten Nacht mit Tode abgegangen Ist. War die Frau gestorben, hieß es 'de Friu'. Gehörten die Verstorbenen nicht mehr zur wirtschaftenden Generation, wurden die Worte 'de aule' vorgesetzt.
Aus der Zeit, in welcher die Haustiere als 'Mitgeschöpfe' und nicht nur als Nutzvieh angesehen wurden, stammt ohne Zweifel der Brauch, den Tod des Bauern oder der Bäuerin auch den Pferden, den Kühen und den Bienen anzusagen. Hierbei wurden die Schweine, wie auch bei allem anderen Brauchtum, ausgelassen. Die Pferde und Kühe wurden hierbei 'anroggt' = angerührt, an die Bienenstöcke wurde leise mit dem zweiten Knöchel des linken Zeigefingers geklopft und die Worte gesagt: 'Der Herr ist tot', bzw. die Herrin.
Aus meiner Kindheit ist mir ein diesen Brauch betreffendes Erlebnis in Erinnerung geblieben:
Nach langer Krankheit war der Bauer Brunsiek Nr.36 gestorben. Später, wie lange nach dem Todesfall weiß ich nicht mehr, ging ich mit meinem Vater durch das Dorf. Im Gespräch blieb dieser bei dem Bauern Beinke Nr. 21 stehen, der erzählte, dass Brunsieks schon wieder Pech beim Vieh hätten. Worum es sich dabei handelte, weiß ich nicht mehr, entsinne mich aber genau der Worte: 'Dat moßte ,ja seo kommen, dann Brunsüiks hät nich den Peern, nich den Koijjen un nich den Immen den Daud ansäget' = Das mußte Ja so kommen, denn Brunsieks haben nicht den Pferden, nicht den Kühen und nicht den Bienen den Tod angesagt.
Alle mit dem Begräbnis zusammenhängenden Angelegenheiten erledigte die Totenfrau. Sie benachrichtigte den Pastor und den Küster, ließ sich von Ersterem den Zeitpunkt des Begräbnisses sagen und lud hierzu in Dorf und den Nachbardörfern ein. Weiter entfernt wohnende Angehörige und Freunde wurden schriftlich oder durch einen besonderen Boten eingeladen. Die Totenfrau lud mit folgenden Worten ein:
' Eck komme os Lüikenbidder un häbbe eunen scheunen Griuß van der Famüilje.......un seu möchten seo geot süin un an'n .....mie teor Begräffte gohn. De Pasteor kümmet ümme Klocke tweu' = Ich komme als Leichenbitter und habe einen schönen Gruß von der Familie....... und sie möchten so gut sein und am....... mit zur Beerdigung gehen. Der Pastor kommt um zwei Uhr.
Ich weiß noch, dass die Totenfrauen von den Geladenen einige Eier oder eine Tüte Weizenmehl bekamen; später bekamen sie Geld. Die sechs Träger wurden wohl von den Hinterbliebenen ausgewählt, aber von der Totenfrau bestellt. Sie mussten in der Größe möglichst gleich sein, denn früher wurden die meisten Leichen mit der 'Sarkbohrn' = Sargbahre zum Friedhof getragenen. Dies war keine leichte Arbeit, denn die Entfernung zum Friedhof in Reelkirchen betrug etwa 6 km. Während, des ganzen Weges durfte die Bahre nicht auf die Erde gestellt werden. Die vier Träger an den Enden der Bahre führten deshalb Holzstangen mit, die am oberen Ende einen halboffenen Ring hatten, in welche die Holme der Bahre beim Ausruhen der Träger gelegt wurden. Bei jedem Ausruhen wechselten zwei der Träger ihren Platz
Anders war dies bei den Bauern, die selber über Pferde und Wagen verfügten. Ein Ackerwagen wurde gesäubert und statt der 'Flächten' = Seitenbretter zwei für diesen Zweck bestimmte Leitern, die auf einem Hofe des Dorfes, in Istrup auf dem Hofe Mische Nr. 16, ihren bestimmten Platz hatten, gestellt. Auf das Unterbrett des Wagens wurden zwei festgebundene kleine Bunde Roggenstroh gelegt, und darauf der Sarg gestellt. Bis an das Friedhofstor wurde gefahren, der Sarg von den sechs Trägern vom Wagen gehoben, auf die über das offene Grab gelegten zwei Riegel gestellt und mit neuen Stricken in die Grube gelassen. Die Stricke blieben am Sarge. Danach nahmen die Träger ihre Hüte ab, verrichteten ein kurzes Gebet und ließen die Myrtensträußchen, die sie im Trauerhause angesteckt hatten, in das Grab fallen. Früher wurden, wie mir erzählt wurde, im Sommer auch Dost- oder Thymiansträußchen genommen, die vor Hexen und übel wollenden Menschen schützen sollten.
Särge mit Selbstmördern wurden, wegen der dort stehenden Heiligenbilder, nicht durch das Friedhofstor getragen, sondern an einer passenden Stelle über die Friedhofsmauer oder die Hecke gehoben. Sie erhielten ein Grab an der Mauer oder der Hecke.
Die Trauerandacht war bereits im Hause gehalten. Auf dem Friedhofe sprach der Pastor noch Bibelverse und Trostworte, einige Gesangbuchverse, die der Küster vorsagte, wurden gesungen und die Trauergemeinde mit dem kirchlichen Segen entlassen.
Nun wurde nicht mehr von 'Begräffte' gesprochen, sondern es wurde gesagt 'Unter de Riusen brocht' = Unter den Rasen gebracht, Früher wurden selten Blumen gepflanzt und nur ganz wenige Denkmäler gesetzt. Die Gräber wurden mit 'Riusen', das sind vierkantig gestochene Rasenstücke, abgedeckt. Das erklärt die Redensart 'Unner de Riusen brecht'. Ein anderer Ausdruck lautete: 'No Kösters Kampe brocht' -- Nach des Küsters Kuhweide gebracht. Auch diese Redensart stimmt, denn die Küster, auch die Lehrer wurden allgemein Küster genannt, hatten die Grasnutzung auf den um die Kirchen liegenden Friedhöfen, die allgemein 'Kärkhoff' = Kirchhof genannt wurden. Die Bezeichnung 'Kärkhoff' wurde auch beibehalten, als in den Dörfern, die keine Kirche hatten, Friedhöfe angelegt wurden. Von älteren Menschen wird diese Bezeichnung auch heute noch gebraucht. Hauptgründe für die Anlage von Friedhöfen in den Dörfern ohne Kirche, waren die weiten Wege bei den Begräbnissen und bei der Pflege der Gräber. Es wurde immer mehr üblich, Denkmäler zu setzen und Blumen zu pflanzen. Wer wollte nun ein Grab, auf dem ein Denkmal mit Namen stand ungepflegt lassen?
Darüber, wann der Friedhof in Istrup angelegt wurde, ist keine Eintragung zu finden, es sei denn, dass man die nachstehende Eintragung im Kirchenbuche Reelkirchen als Hinweis dafür ansehen will, daß in Istrup bereits im Jahre 1795 ein Friedhof bestand. Der heute noch oft genannte Pastor Schönfeld, der 60 Jahre in Reelkirchen wirkte, schrieb in das Kirchenbuch:
'Istrup, den 26. V.1795. Ein Franzos vom Infanterie Regirnent des Duc de Mortemort. Sein Name lautet: Jean Henrich Bauer, gebürtig von Hobben, einem Dorfe bei Münster. Er wurde krank nach Istrup gebracht. Platenau nahm sich seiner an. Er starb den 26. May morgens gegen 9 Uhr. Am 28. May wurde er auf dem hiesigen Friedhof begraben.
Da die Eintragung unter Istrup erfolgt ist und es dann weiter heißt 'auf dem hiesigen Friedhof', könnte man annehmen, daß hier damals schon ein Friedhof bestand. Die Eintragung in das Kirchenbuch ist aber bestimmt in Reelkirchen erfolgt, so daß mit 'hiesigen' auch der Friedhof in Reelkirchen gemeint sein kann.
Nach der Volkszahlung im Jahre 1776 hatte Istrup ohne die Ortsteile Holstenhöfen und Riechenberg, Nassengrund gehörte damals noch nicht dazu, 276 Einwohner. Es ist kaum anzunehmen, daß für so wenige Menschen ein Friedhof angelegt wurde.
Istrup im Winter 1976/77
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