Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V

Aus der Bauerschaft Wülfer

Ein Dorfzimmermann mit dem seltsamen Namen Isis

Es dürfte nur wenig Deutsche geben, denen die berühmte Arie des Oberpriesters Sarastro "O Isis und Osiris" aus Mozarts Oper "Die Zauberflöte" nicht bekannt wäre, und seitdem wir eine Schallplattenindustrie besitzen, ist die Arie, gesungen von fast allen bedeutenden und auch unbedeutenden Bassisten, allen Schichten der Bevölkerung in Mozarts unsterblicher Melodie bekannt geworden. Osiris war bei den alten Aegyptern der oberste männliche Gott und trug die Bezeichnung "der Erste der Westlichen, der Große Gott". Er thronte in der "Halle beider Wahrheiten" und hielt dort das Totengericht. Seine Abzeichen, wie Krummstab, Geißel und langer Königsbart, glichen den äußeren Insignien der irdischen ägyptischen Könige. Ueber seinem Antlitz schwebte das geflügelte Horusauge als Abbild der schwebenden Sonne, des Jahrlaufes und der ewig rollenden Zeit. Seine Gemahlin war die Göttin Isis. Sie und die Schwester des Osiris, Nephtys, standen an beiden Seiten des Thrones, um dem Gotte bei Abhaltung des Gerichts Beistand zu leisten. Während Osiris als Sinnbild des Todes, des beendeten Lebens galt, war Isis die Göttin des Lebens, und gern ließen sich die Frauen der Pharaonen auf Bildwerken in den Gewändern der Isis darstellen. Auch die Gemahlin des Königs Tut=anch=amon, dessen Grab vor einigen Jahren aufgefunden wurde und das mit seinen prunkvollen Beigaben das Staunen der Welt hervorrief, trägt auf vielen erhaltenen Bildwerken Gewandung, Haltung und Haarschnitt der Isis.
Vor Hunderten von Jahren kam die Bezeichnung "Isis" in Lippe auch als Hausnamen vor. Selbstverständlich hat der alte lippische Hausname Isis nichts mit den alten Aegyptern zu tun. So gab es in der Mitte des 17.Jahrhunderts in der Bauerschaft Wülfer einen Zimmermann namens Isis. Wir wissen nicht, woher die Familie stammt, auch nicht, wo sie später geblieben ist. Jedenfalls gibt es heute in Lippe keine Familie Isis mehr, und nur in einigen alten Hausinschriften in der Gemeinde Wülfer ist uns der Name des alten Dorfzimmermanns, der sich mit seinen schön ausgeführten Inschriften ein Denkmal setzte erhalten.
Die älteste von Isis herrührende Inschrift befindet sich über dem Torbogen des Wohnhauses des Zimmermanns Bernhard Ostmeier, Nr.18, in Wülfer. Schon damals war das Gehöft im Besitz der Familie Ostmeier. Die in kräftigen lateinischen Buchstaben ausgeführte Inschrift lautet: Anno 1664 den 7. Maius Bartelt Ostmeier und Eva Efruh hat laten (dies) Hus B.(bauen) D. M. Isis (durch Meister Isis).

Huxhage,Wülfer Nr.8
Foto: Harald Deppe (1999)

Im Jahre 1667 errichtete Isis das Ständerwerk des alten Wohnhauses des Bauern Huxhage, Nr.8 Auch dieses Gehöft befindet sich heute noch im Besitz der gleichen Familie. Auch hier tritt wieder das saubere Schriftbild ins Auge, wenn auch die einzelnen Buchstaben ziselierter und auch schwungvoller sind als auf dem Ostmeierschen Gehöft. Die Inschrift bei Huxhage lautet: Anna 1667 den 21. Junius Jost und Ilsche Huxshage Ehe Lüde hat laten dut Hus buwen. Wo din Gesetz nich min Trost gewest were, so were ich vor gahn in minem Elende. D: M: Isis.
 
Links auf der Türschräge ist eine achtblättrige Rose, rechts ein achtstrahliger Stern eingehauen. Beide Ornamente sind von einem Urbogen umgeben, der auf seinem Rundbande Sonnentupfen trägt.
 
Im Jahre 1672 hat Isis zwei Bauten ausgeführt, nämlich ein Wohnhaus auf dem alten Husemannschen Hofe in Wülfer und eine Scheune auf dem Hofe des Bauern Schemmel, Nr.2, in Bexterhagen.
Die Inschrift vor der Schemmelschen Scheune lautet:

Anna 1672 den 24. Maius Frans Schemmel Ilsebein Peite uth der Lage hat laten duth Hus buwen. M. Isis.


Foto (2010) Hans-Christian Schall

Das frühere Husemannsche Haus aus dem Jahre 1672 gehört als Kötterhaus mit der Hausnummer 14 zum Gehöft des Bauern Wöhler, Nr.10, der im Jahre 1893 seinen Hof aus der Ortschaft aus baute und an den Weg Schötmar - Leopoldshöhe in die Nähe des Dreckhofes verlegte. Die Inschrift vor dem alten Husemannschen Hause lautet: Anno 1672 den 4.Junius Heinrich Huseman tho Wülfer und Anna Hatrwig bi der Bihge hebben laten dut Hus buwen. M. Isis.
Links neben der Inschrift befindet sich ein achtstrahliger Stern mit einem Kranz von Sonnentupfen, von einem Urbogen umgeben, rechts ein siebenstrahliger Stern, der in ein Rosenblütenornament eingebettet ist und von einem Urbogen mit Sonnentupfen umgeben wird. Auf der Außenkante des Türbogens verläuft ein aus ineinandergeschachtelten Sparren gebildeter Urbogen in Form eines Seilmusters. Vielleicht findet sich einmal Gelegenheit, Inschrift und Ornamente zu renovieren.
In den Inschriften der erwähnten vier Häuser ist uns eine Kunde erhalten geblieben von dem kunstsinnigen Dorfzimmermann mit dem so seltsamen Namen Isis, und wenn wir von seinem Leben auch gar nichts wissen und auch er mit den Bauerngeschlechtern seiner Zeit dahingegangen ist, so ist uns ein Teil seines Werkes doch erhalten geblieben, das uns zeigt, dass Isis ein Meister seines Fachs war, der in den schweren Jahrzehnten nach dem unheilvollen Dreißigjährigen Kriege seine Geschicklichkeit mit dem Aufbauwillen eines trotz aller Leiden und Drangsale nicht gebeugten Volkes verband.

Quelle: "Heimat und Scholle", Donnerstag den 16.Dezember 1937

Anmerkung zum Hof Huxhage:
StA Detmold, L 108 A Nr.133 Seite 7-8, Eheprotokolle Amt Detmold
06.Augusti.1642
Jost zu Heipecken, Meier Deppes zu Heipecken nachgelassener Sohn hatt sich mitt Ilsgen Huxhagen, Curtten Huxhagens ehelichen Dochter ehelich eingelaßen. Undt überleßet der Braut Vatter seiner Dochter u. Schwiegersohn den Hof ff.

Abschrift und Anmerkung von Wolfgang Bechtel, 2004-10-15

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