Fachwerk und Hausinschriften in der Altstadt Blomberg
Von H.-Walter Rolf
Es wird seit einiger Zeit auch im Lippischen Heimatbund verstärkt über den Bestand unserer alten Fachwerkhäuser diskutiert. Dabei geht man von dem Gedanken aus, daß die Erhaltung von Fachwerkhäusern zu einer unserer wichtigsten heimatpflegerischen Aufgaben geworden ist, denn zu viel ist in dieser Hinsicht in vergangener Zeit gesündigt worden, sei es aus Kurzsichtigkeit oder einfach Gedankenlosigkeit. Andererseits muß man sich davor hüten, nun einfach alles Alte erhalten zu wollen, nur weil es alt ist, denn zweifellos gibt es Fachwerkbauten, die unseren heutigen Anforderungen an Bequemlichkeit oder Hygiene nicht mehr entsprechen. Hier wie überall gilt es, den goldenen Mittelweg zu gehen, d. h. sowohl die ästhetischen als auch die wohntechnischen Grundsätze zu berücksichtigen.
Vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet bieten unsere alten lippischen Städte glücklicherweise bereits heute ein ansprechendes Bild. Blomberg macht hier keine Ausnahme, und alle Besucher der alten Bergstadt äußern immer wieder ihre Freude über die vielen wohlerhaltenen Bürgerhäuser aus früheren Jahrhunderten, vor allem auch über die von der Stadt mustergültig instandgesetzte Burg mit dem alten Amtshaus am Pideritplatz. Daß dennoch auch in Blomberg noch vieles zu tun bleibt, vor allem was den Innenausbau der erhaltenen Fachwerkhäuser betrifft, versteht sich am Rande.
Folgende Zahlen mögen kurz verdeutlichen, wieso gerade Blomberg als Stadt des Fachwerks bezeichnet werden kann. In der Altstadt Blombergs gibt es heute 370 Wohn- und öffentliche Bauten.
Davon sind nicht weniger als 270 Häuser ganz oder teilweise in Fachwerk aufgeführt. Nur etwa 50 bis 60 befinden sich in einem Zustand, der in nicht allzu ferner Zeit zum Abbruch führen dürfte. 155 Fachwerkbauten sind zur Straße hin ganz oder teilweise unverkleidet; davon werden sich auf die Dauer etwa 20 nicht erhalten lassen. Andererseits gibt es rund 50 verputzte Fachwerkhäuser, die mit oder ohne öffentliche Mittel vom Putz befreit werden könnten. Daraus ergibt sich, auch wenn ein strenger Maßstab angelegt wird, daß am Ende einer großzügigen Altstadtsanierung etwa 185 Häuser übrigbleiben würden, die ganz oder wenigstens teilweise (Giebel!) ihr Fachwerk nach außen hin zur Schau tragen könnten, immer vorausgesetzt natürlich, daß eine Sanierung auch nach innen hin durchgeführt würde. Die Tatsache, daß alle Blomberger auf ihre schöne Altstadt mit Recht stolz sind und viele Bürger schon immer ihre Fachwerkhäuser mit großer Liebe gepflegt und in Ordnung gehalten haben, berechtigt zu der Hoffnung, daß Blomberg in Zukunft noch schöner werden wird und noch mehr Fremde als bisher sich in ihren Mauern wohlfühlen werden.
Zu den am meisten beachteten und am häufigsten photographierten Häusern gehören natürlich diejenigen, die einen Hausspruch aufweisen oder die Namen der Erbauer mit der Jahreszahl der Erbauung angeben. Zur ersten Gruppe gehören 19, zur zweiten weitere 45 Gebäude. An 14 Häusern sind Handwerkszeichen angebracht (2 Schusterzeichen, 4 Weberschiffchen, zweimal der Pferdekopf als Zeichen des Fuhrmanns, je einmal das Zeichen des Zeugmachers, des Tischlers, des Zimmermanns, des Schäfers, des Schmiedes und des Müllermeisters).
Im folgenden sollen nun alle alten Blomberger Haussprüche aufgezählt werden, was sicherlich nicht nur die Blomberger Heimatfreunde interessieren wird, sondern zu vielfachen Vergleichen mit Haussprüchen in anderen lippischen Städten und auch Dörfern herausfordert.
1. Das Rathaus.
An der Traufseite zum Marktplatz:
WILTU GERNE WISSEN WEN ES
WOL STEHT IM REGIMET GLÜCKLICH ZUGEHT WES BÜRGER
HABN DAHIN GEBRACHT NACH LIEB UN EINIGKEIT GETRACHT EINN JEDER AUCH THUT WAS IHM ZUKOMMT UND IHME GEBÜRT KEINER DEN ANDERN AHN LEIB UND GERÜCHTE BERÜRT . IN DOMINO SI VIS VINCERE DISCE PATI. ANNO 1587.
QVAERITE IUDICIUM SVBVENITE OPPRESSO IVDICATE PVPILLO DE-FENDITE VIDVAM . ESAIAE I . VERITATEM TANTUM ET PACEM DILIGITE . ZACHARIAE VIII. ANNO REPARATAE SALUTIS 1587.
(Willst du überwinden, lerne im Herrn leiden. Trachtet nach Recht, helfet dem Unterdrückten, schaffet dem Waisen Recht, führet der Witwe Sache. Rede einer mit dem anderen Wahrheit, und schaffet Frieden.)
An der Giebelseite zur Neuen Torstraße:
GESCHENKE VNDE GAVE VORBLENDEN DE WYSEN VNDE DON EN EINEN THOEM (Zaum) IN DEN MVNDT DAT SE NICHT STRAFEN KONNEN . MENGE DY NICHT IN FROMDE SAKE VNDE SITTE NICHT BEIM VNRECHTE ORDEL (Urteil) . SYRACH XX XI .
EIN IEDER MAN SY VNDERDANICH DER UVERICHEIT DE MACHT AVER EN HAT WENTE DAR IS KEIN UVERRICHTEIT DAN ALLEINE VAN GADE.
WOL DER SICK WEDERSETTET DE WEDERSTREBT GADES OR(nung). (Römer 13, 1 und 2).
2. Am Markt 4, Besitzer August Schröder
2 wieder eingebaute Steine des 1911 abgebrannten Hauses von 1575:
a) Hemel unde Erde werden vergain min
Wort averst wert nicht vergain.
Luc XXI .
b) Ick bin de Upstadinge unde dat Le
vent we in mi geloevet de wert leven wen
he ock storve . Johan XI .
3.Im Seligen Winkel 12, Besitzer
Marie Borchardt
Hans Lalke . Ilsabein Brachts . Anno Christi 1661.
Im Hause des Gotlosen ist der Fluch des Herren aber das Haus der Gerechten wird gesegnet . Proverb. III Versu XXXIII.
4. Kirchhofstraße 5, Besitzer Martha Tönsmeier
Hans Henrich Ridder. Catrine Auenhausen . Anno Christi 1664 . Wo der Her nit das Haus bawet so arbeiten umb-sonst die daran bawen . Psalm CXXVII. Es is(t umbsonst da)s ih(r frue aufste) het und hernach lan(ge sitze)t und esset ewer Brot mit Sorgen denn seinen Freunden gibt ers schaffend.
5. Neue Torstraße 16, Besitzer Paul
Ramm
Das Haus stammt aus dem Jahre 1654.
Also hat Godt de Welt gelibet das er seinen eigenen geborn Sohne gaf vp dat alle de an in gelevben nicht verloren werden sonder das ewige lebent habe .
6. Schulstraße 6, Besitzer Wilhelm
Nolte
Lips Tappe und Anna Elisabet Tops . Anno 1704 .
Ps. CXXI. Dis Haus stehet offen allen guten Freunden . Gott steure den Feind und Misgonner . Der Herr behute dein Ausgang und Eingang vonun an bis in Ewigkeit .
7. Schulstraße 8, Besitzer Fritz Althoff
Das Haus stammt aus dem Jahre 1713
Töns Henrich Hilker . Anna Catrina
Tops.
O Herr hilf . O Herr las wol gelingen . Ps. CXVIII .
8. Neue Torstraße 26, Besitzer Wilhelm Flügge
Dieses Haus steht unter Denkmalsschutz. Es wurde erbaut vom damaligen städtischen Wrasemeister und Scharfrichter Meister Jürgen Struck.
M. Jürgen Struck . Anna Margarete Brokers . Anno D. 1677 .
Wo der Herr nicht das Haus bawet so arbeiten umbsonst die daran bawen . Wo der Herr nicht die Stad behutet so wachet der Wechter umbsonst. Es ist umbsonst das ihr frue aufstehet und hernach lange sizet und esset ewer Brot mit Sorgen den seinen Freunden gibt ers schlaffend . Ich lase den Heren Got walten der so lange hadt Haus gehalten dan er ist gar ein reicher Godt . Jah mer er gibt ja mer er hadt zu den alle meine Hoffenunge stet . Pax intrantibus salus exuntibus.
9. Petersilienstraße 43, Besitzer
Friedrich Meier
Das Haus stammt aus der Zeit um 1680.
Psalm CXXI . Der Herr bewahre deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit .
10. Große Mauerstraße 32, Besitzer
Wilhelm Hagedorn Anno 1672 den 23 Appril haben Hans
Henrich Gerfels und Ilsabein Rentrups
haben dis Haus lassen bavwen . Got
alleine di Ehre. Ich lige und schlaffe
gantz mit F ....
11. Petersilienstraße 22, Besitzer Rudolf Witte
Anno 1754 . Johan Bernhart Recker und Trien Ilsabeihn Capellen . Unsere Hülfe und Anfang sei im Namen Gottes des Vatters des Sohns und des Heiligen Geistes Amen .
12. Petersilienstraße 12, Besitzer
Minna Witte
Anno 1765 . J. H . Hlesemann . Sophia Nobenn .
Denn das ich gefurchtet habe ist uber mich kommen und das ich sorgte hat mich betroffen. . (Weberschiffchen)
13. Petersilienstraße 10, Besitzer
Wilhelm Bunte
Anno 1754 . Johann Adolph Koring und Anna Cattrina Lobben . Sie gehen daher wie ein Schaemen und machen ihnen viel vergeblicher Unruhe . Sie sammlen und wissen nicht wer es kriegen wird . (Psalm 39, 7) . (Weberschiffchen)
14. Große Mauerstraße 6, Besitzer
Auguste Brinkmeier
Anno 1751 . Frans Henrich Top .
Meine Schafe hören meine Stime und ich kenne sie und sie folgen mir nach . (Schere und Stab des Schäfers)
15. Große Mauerstraße 2, Besitzer
Minna Wortmann
Franz Carl Hancke . Anna Margaretha Kühn . Anno 1754 .
Was du heute tuhn kanst spare nicht bis morgen . Vertraue den höchsten Got und las ihn gäntzlich sorgen . Sei fleisich in deinen Beruf und baete Tag und Nacht so wirt der Seegen dir von Himmel zugebracht . (Pferdekopf als Zeichen des Fuhrmanns)
16. Kuhstraße 17, Besitzer Adolf Rieke
Cordt Tappe et uxor eius Anna Margareta Köster . Anno 1695.
Der XXXVII. Psalm 3. F. . Hoff auf den Hern und thu Guts . Blei im Lande und nehre dich redlich . 4. F. . Habe deine Lust am Herrn der wird dir geben was dein Herz wünscht .
Der Her behüte deinen Ausgang von nun an bis in Ewigeid.
Unleserlich: Furchtte Got und halte sein Gebot.
17. Kuhstraße 29, Besitzer Martha
Kukkuk
Erbaut um 1665 vermutlich von Amtmann Henrich Piderit, geb. 1594, Sohn des Pastors und Chronisten Johannes Piderit.
Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen oder seinen Samen nach Brot gehen . Psalm XXXVII XXV .
18. Kuhstraße 38, Besitzer Marie
Huneke
Dieses Haus steht unter Denkmalschutz. Erbaut vermutlich von Cordt von Braunschweig, ehemaliger Amtsschreiber von Sternberg.
Anno 1606 . Felix introit . foelicior exitus esto.
19. Brinkstiraße 4, Besitzer Walter Meier
Wer Got vertrawet hat wohlgebawet .
Stammt vermutlich von einem abgebrochenen Haus aus der Zeit um 1650.
Als Ergänzung hier noch die von einer alten Postkarte abgelesenen Haussprüche des schon erwähnten Schröderschen Hauses, Am Markt 4, das leider im Jahre 1911 einem Brand zum Opfer fiel.
In deiner Nott Gott bete an Ehr wirt gern gleich bei dir stahn . Undt hab in Unglück eines Leuwen Mut . Vertraw Gott swirt widz gut . Vom Herren dein Gutt thut meren so du nur threu thust erneren . Ungunst der Leute wirt nicht schaden was dir Gott guent wirt woll geraden . In Gottes Name ich thue bawen und stelle auf ihn mein Vertrawen . Christoph Reckert Anno Domini 1575 .