Drei Holzurkunden aus schicksalschwerer Zeit

Mitgeteilt von August Meier-Böke
Gar leicht ist die älteste zu finden. Dennoch fanden sie nur wenige. Viele Gäste verkehren tagein, tagaus im Hause des Gastwirts Dohn zu Varenholz, ortsansässige und auswärtige. Aber kaum einer von ihnen allen sieht mal nach der Scheune hinüber, die nebenan das Gebäude westlich verlängert. Die Straße lenkt die Blicke ab, das ruhelos ratternde Leben, die laute Gegenwärtigkeit.
Wir wollen einmal einen Augenblick stille sein, unsere Augen am Türsturz des Anbaues entlang gleiten lassen und den Sinn und Wortlaut der Buchstabenreihe entziffern:
DURCH GOTTES SEGEN, WORAN ALLES GELEGEN, HAT AUFGEBAUET UND GOTT VERTRAUET BEI DEM FRANZOSENKRIEG UND DER ALLIRTEN SIEG DIS HAUS HEINRICH SCHAPER U. ANNA AELISABETH SANDMANNS.
ANNO 1709 = DEN 24. JUNIUS.

Stolz und steil stehen die Lettern, wie Runen der Vorzeit. Kurz und treffend ist der Inhalt. Sinnvoll die Verquickung des Hausbaus mit der Hausrichte des Volkes, des Eigenschicksals mit dem der Gemeinschaft, die wir Volk nennen, und die nach Richard Wagners tiefen Wort diejenige Gemeinschaft von Menschen ist, die eine gemeinsame nationale Not empfindet. Der Leser unserer Tage, der so geschichtslos wurde im liberalen Zeitalter, steht dem Text ratlos gegenüber.
Die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges ist gemeint. Dreizehn Jahre lang, von 1701 – 1714, verheerte er der deutschen Heimat westlichen Teil. Um fremdvölkische Belange noch dazu schlug man sich die Schädel ein. Um die Jahrhundertwende waren die spanischen Habsburger ausgestorben. Nun wollten sowohl die österreichischen Habsburger als auch der Franzosenkönig, der 14.Lulux, das verwaiste Land beerben. Es war ein Krieg, um „den die Kronen wussten“. Da konnten die andern nicht tatenlos beiseite stehen, denn wo gehobelt wird, da fallen Späne. Es entstand die sogen. „Große Allianz“. Wilhelm von Oranien, das gekrönte Haupt Hollands, der zugleich König von England war, gründete sie. Neben Portugal und einer Anzahl deutscher Reichsfürsten gehörte auch Brandenburg-Preußen zu den „Allirten“. Der Kurfürst von Bayern sah sich gedrungen, im höreren Auftrag für Frankreich das Panier zu ergreifen, was gleiches man dem Kölner ja als nie ausgestorbene separatistische Gewohnheit nicht weiter verübeln konnte. Der „Allirten Sieg“ war freilich nur ein Kompromiß, wie nicht anders zu erwarten, wenn so viele Meinungen und Strebungen unter einen Hut gebracht werden sollen. Da muß die Hutnummer bannig weit sein, und der Hut selbst passt natürlich niemanden. Immerhin brachte er Preußen einen gewissen Raumzuwachs ein.*

Ein halb Jahrhundert später. Der westliche Widersacher rückt der Heimat sehr nahe auf den Leib. Sieben Jahre lang schlägt sich der Große Fritz mit einer Welt von Feinden herum. Tief ins grüne Herz der Heimat dringt zuzeiten der Gegner aus dem Sonnenuntergang. Auch diese völkische Notzeit fand einen Chronisten im Meißel eines Dorfzimmermeisters.
Nicht leicht zu finden ist sein hölzernes Dokument. Von Varenholz müssen wir südwärts wandern, über Hohenhausen gen Niedermein, wo an der Straße linkerhand eine gewaltige Feldscheune im Fachwerkaufbau weit in die Lande sieht, wie ein wuchtiges Wachthaus über den Tälern der Menschen. Wer von Lemgo her kommt, wird das Tal der Maibolte hinanpilgern, sich da, wo der schattende Schluchtwald endet, der Feldmark zuwenden, etliche Steinwürfe hinanstampfen, bis er plötzlich das unfehlbare Ziel hoch und hehr über die Kimmung der Höhe leuchten sieht.
Ein „umgezogenes Haus“ ist diese Scheune. Einst pfostete ihr Ständerwerk im Hause Ridderbusch zu Homeien. Die Inschrift auf der Rückseite beurkundet den Umzug: „Umgebaut von Frevert, Niedermeien, 1909. Meister Meier.“ Nebenbei bemerkt zeigt dieses Bauwerk mit erfreulicher und erfrischender Deutlichkeit, dass hervorragend praktische Bauaufgaben wie diese Riesenscheune mit dem altererbten Mitteln des Ständerhaus zu bewältigen sind. Wie schön und zweckmäßig eine solche Lösung unter Umständen sein kann. Wie leicht und sparsam es oft ist, den Gedanken des Heimatschutzes zu verwirklichen. Es liegt so etwas Feierliches und Erhabenes über dem Ganzen, trotz des nüchternen Zweckes, über diesem Höhenfachwerkhaus hier oben in einer Landschaft, die wie kaum eine zweite in die Ferne ruft. Schon dieses Hauses halber lohnt sich ein Gang dahin.
Wir suchen aber ein Besonderes an ihm, eine Urkunde aus schicksalsschweren Tagen. Wir lesen am mittleren Vordertor 17(57) als Annozahl, den 4.Julius als Richttag, Johan Hinrich Nacke als Zimmermeister. Dann folgt wie üblich die Beurkundung des Bauherrn und seiner Ehefrau: „Staas Friedrich Ridderbusch und Anna Margreta Rehms haben dieses Haus bauen lassen“. Der Sinnspruch fehlt nicht: „Mit Gott den Anfang und das Ende mach. Mit Gott gerät der Anfang wohl, Vors Ende man Gott danken soll. Das weiß ich fürwahr: wer Gott dienet, der wird getröstet und aus Trübsal erlöset, und nach der Züchtigung findet er Gnade, denn du hat nicht Lust an unserm Verderben, so überschüttest du uns mit Freuden“.
Wir fühlen, die Auswahl dieses Textes ist notbedingt, wir wissen, welche gemeinsame Not die Heimat drückte, Die Lettern, die noch folgen, und die so anschaulich, die so nothunghaft sind, weil sie selbst erlebt sind, lauten:
DAS SCHEFFEL ROCKEN GEKOST 2 THALER 12 GROSCHEN. DES KOENIGS VON FRANKREICH SEINE KRIEGSARME HIER GEWEST VON 1757 BIS ….
Der Rest ist leider nicht mehr auszumachen. Zwei Sommer darauf, 1759, siegte Herzog Ferdinand in großer Schlacht bei Minden über des „Königs von Frankreich seine Kriegsarmeh“. Fakten noch wird Schmalhans Küchenmeister in den Bergdörfern gewesen sein, werden die Bauern die Hände gefaltet haben, zum Herrn der Erde und der Ernte, Hart war die „Züchtigung“ gewesen. Wir können mit unserm blassen Markbegriff kaum eine annähernde Vorstellung gewinnen von der damaligen Wirtschaftslage. Bedenken wir nur vergleichsweise einmal, dass das Jahresgehalt eines Kantors noch im vorigen Jahrhundert 20 Thaler betrug.*

Ueber hundert Winter weiter im Mahlgang der Mühlen Gottes. Lauter Jubel hallt durch die Weserwälder. Glocken dröhnen von Turm zu Turm. Dankgebete steigen blauhimmelan. Der Feind besiegt, der Erbfeind im Westen! Am Hang über den Kallequellen, unterm Winterberg, auf der Stätte Depping Nr.74, ist Hausrichte. Zimmermeister Snatmeier, nicht weit davon an der lippischen Snat wohnhaft, hält die Richtrede. Wir wissen nicht mehr, wie seine Worte im einzelnen gewesen sind. Sie werden aber dem Sinne nach dasselbe gesagt haben, was er in den Türsturz der Missentür einmeißelte:
ANNO 1871, den 30.Juni / haben die Eheleute C. F. Hermann Depping und W. F. Wilhelmine / Potthast von Niederntalle dieses Haus bauen / lassen. Vater im Himmel sei gedankt, dass Deutschland die Franzosen zwang. Der / goldne Friede kam zurück und mit / ihm Sicherheit und Glück. Soli Deo Gloria. Spes Mea. C. S. M. Snatmeier.
Auffallend sorgfältig ist die Einmeißelung dieser gotischen Lettern. Dahinter steht ein kleines Hakenkreuz mit klobigen Armen, wie es die Bauernhäuser der älteren Art häufig zeigen, besonders im Erstteil des vorigen Jahrhunderts. Das uralte Sinnbild der nordischen Rasse, ihr Sonnen- und Siegzeichen, in dem letzthin erst ein großer deutscher Sieg erfochten wurde, dessen tiefen Gottessinn wir heutigen erst langsam rückwärts tastend wieder zu ahnen beginnen, und der uns allen noch im Blute liegt aus der Uchtezeit der eigenen Art.

Politik verdirbt den Charakter, sagt man. Doch nur das unvölkische Machtstreben, das wir Parteipolitik zu benennen pflegen, die nie dem Ganzen dient, sondern nur dem Sonderbelang auf Kosten des Ganzen. Was unsere drei Inschriften an Politik bieten, wie sie es mit Gottglauben und völkischem Denken verbinden, ist dagegen im höchsten Maße charakterbildend. Für das heutige Geschlecht insonderheit, da es nicht nur geschichtslos, sondern auch schicksallos wurde. Darum ist das Unzeitgemäße der Ahnenzeit im tiefsten Sinne zeitgemäß, wenn wir es nacherlebend neu gestalten. Darum seien diese drei Holzurkunden aus schicksalhafter Zeit hier mitgeteilt.
Abschrift aus : Heimat und Welt, Jahrgang 1933 Seite 29 – 30
Abgeschrieben: Wolfgang Bechtel

Anmerkung:
Die erste Inschrift findet sich auch in : Vaterländische Blätter 1929, „Die Varenholzer Hausinschriften“ von Margrete Antze. Eine Abschrift befindet sich auch auf dieser Hompage.

Die zweite Inschrift mit etlichen Ergänzungen zu dem Erbauer und der damaligen Zeit wird auch im Buch „Hillentrup, Kirchdorf und Bauerschaft“ von Dankward von Reden und Roland Linde, 1994 behandelt. Nach der dortigen Quellenangabe ist sie noch mal abgedruckt in der Lippischen Landeszeitung vom 28.09.1957 in dem Artikel „Homeien/Niedermeien, Dörfer am Höhenweg“, von August Meier-Böke.

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