Bild: Lippe-Rose.gif

 Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

Bild: Lippe-Rose.gif

Die Gesinde-Ordnung von 1795

Abschrift: Wolfgang Bechtel Detmold

Von Gottes Gnaden Wir Friedrich Wilhelm Leopold, Regierender Fürst zur Lippe, Edler Herr und Graf zu Schwalenberg und Sternberg, Souverain von Vianen und Ameyden, Erb- Burggraf zu Uetrecht ec.
Die Gesinde:Ordnung vom 6ten Februar 1752 Num. XXIX. Des 2ten Bandes der Lippischen Landesverordnungen, ist für verschiedene Fälle, die sie enthält, nicht bestimmt genug, für einige aber, wofür sie es ist, nach jetzt veränderter Denkungsart und Sitte nicht mehr anwendbar; unvollständig ist sie dabey, weil sie vieles nicht bestimmet, was sie doch bestimmen sollte. Es sind daher über die Verbesserung derselben, oder vielmehr über eine ganz neue Gesetzgebung in diesem Fache durch Unsere Regierung von den Ämtern und Magisträten gutachtliche Berichte eingezogen, deren Inhalt ist geprüft worden, und über die besten Vorschläge mit getreuen Ständen der Ritterschaft und Städte Berathung gepflogen. Hiernach haben wir also beschlossen, eine neue Gesindeordnung nach dem guten Muster der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes im 5ten Titel des 2ten Theils des Königlich Preußischen Gesetzbuches entwerfen und ergeben zu lassen, wie sie hier folget. Zugleich heben Wir aber auch alle vorigen, das Gesindewesen betreffenden, gesetzlichen Vorschriften und namentlich die oben angezogene Gesindeordnung vom Jahr 1752 hiedurch ausdrücklich auf, und weisen Herrschaften und Gesinde lediglich an diese neue Verordnung, um daraus ihre gültigen Rechte und Verbindlichkeiten zu ersehen.

§ 1
Damit es den Einwohnern dieser Grafschaft nicht an dem nöthigen Gesinde fehle, so erneuern wir insbesondere in Absicht der ledigen dienstfähigen Personen, statt der durch die Verordnung vom 4ten Jul. 1780 eingeführten und nach den nachherigen nähern Bestimmungen vom 23ten Jan, 1781 und vom 2ten Jul. 1782 fast nirgends von ihnen erhobenen Abgabe, den ersten Paragraph des Edicts vom 12ten Novbr. 1749 wegen der Häuslinge und Einlieger, wonach keiner von Unsern Unterthanen und Landeseinwohnern, so wenig in den Städten und Flecken, als auf dem platten Lande, einige Häuslinge oder Einwohner, es seyen Fremde, oder Einheimische, ledige oder verheirathete Manns- oder Frauenspersonen, aufzunehmen befugt seyn soll, ehe und bevor in den Städten bei Burgermeister und Rath, auf dem platten Lande aber bei unsern Drosten und Beamten in den Amtsstuben davon gehörige Anzeige geschehen, und der Hauswirth, nach genugsamer Untersuchung der Beschaffenheit der angegebenen Personen, ihr Herkommen, Handthierung, Nahrung, auch Christliches Leben und Wandel betreffend, deshalb nicht nur einen Schein erhalten, sondern auch für den Betrag und die Abführung der von dem Einlieger zu bezahlenden Abgaben für das Jahr Sicherheit geleistet hat, in der folgenden Art:
Keine Obrigkeit darf den Erlaubnißschein zur Aufnahme, insbesondere der ledigen Einlieger, ertheilen, außer
1.) Wenn diese alt, gebrechlich, oder sonst zum dienen nicht tauglich sind;
2.) Wenn, und wenigstens vorerst, so lange sie aus hinlänglichen Gründen sich zu vermiethen verhindert sind, wie z.B. Dienstboten, welche wegen eingetretener Krankheit, oder aus andern zureichenden Ursachen nicht haben zugehen können; Frauenspersonen, welche Kinder säugen, u. d. gl. Mehr.
3.) An ledige Personen beiderlei Geschlechts, welche ein Handwerk oder eine andere gute Handthierung, wozu auch Tagelöhner, wenn es daran fehlet, gehören, zum nützlichen Erwerb, oder zur Verpflegung ihrer Angehörigen treiben,
In diesen dreien Fällen geschiehet die Aufnahme der ledigen Einlieger, nach vorgängiger obgedachten Untersuchung, ohne Erlegung der vorhin erwähnten Abgabe, die also für künftig ganz wegfällt, da die Aufnahme derselben in allen übrigen Fällen gar nicht statt findet.

§ 2
Es sollen auch junge dienstfähige Personen beiderlei Geschlechts sich nicht ohne Anzeige, Erlaubniß und Paß der Obrigkeit außer Landes vermiethen, damit diese nach den jedesmaligen Zeitumständen ermessen können, ob entbehrliches Gesinde vorhanden ist. Dabey sollen aber die Obrigkeiten nicht ohne Noth in die natürliche Freiheit eingreifen und in solchen Fällen, wo sie die Erlaubniß verweigern, dies praevia causae cognitione ad protocollum thun.
Dagegen sollen diejenigen, welche ohne Anzeige, Erlaubniß und Paß sich außer Landes in Dienste begeben, mit 3 bis 5 Goldgulden oder 3 bis 5 tägigem Gefängniß bestraft werden.

§ 3
Damit sich nun die Söhne und Töchter der Unterthanen in den Städten und auf dem platten Lande zur künftigen eigenen Haushaltungsführung desto fähiger machen; so sollen die Eltern diejenigen ihrer diensttauglichen Kinder, die sie entbehren können, vor ihrer Verheirathung wenigsten zwei Jahre lang bei andern dienen lassen.
Da aber, außer der Unentbehrlichkeit, auch auf die Gelegenheit zur guten oder schlechten Aufführung der Kinder in dem elterlichen Hause, oder auf andere eintretende Umstände Rücksicht zu nehmen ist, deren Erwägung hauptsächlich von dem Localbefinden der Obrigkeiten abhängt; so soll in solchen Fällen denselben, ohne dass es einer Berichtserstattung und höhern Dispensation bedarf, auf ihre Pflicht überlassen seyn, aus zureichenden Gründen, welche jedoch jedes Mal umständlich zu Protocoll zu nehmen sind, das verordnete Dienen ganz oder zum Theil zu erlassen. Dagegen werden diejenigen Eltern, welche ohne dergleichen Gründe und ohne desfalls oberlich gestattete Ausnahme sich in Befolgung jener gesetzlichen Vorschrift Pflichtswidrigkeiten zu Schulden kommen lassen, mit einer angemessenen Geld oder Leibesstrafe belegt, und haben deren Kinder auf dem platten Lande zu bedenken, dass da Mangel an Einsicht und gutem Willen selbst Unfähigkeit zum Colonats Antritt und Ausschließung davon, in Gemäsheit des Edicts vom 24ten September 1782 Nr. XIV des 3ten Bandes der Lippischen Landesverordnungen zur Folge haben kann, sie es sich selbst beizumessen haben, wenn die Gelegenheit, jenen Mangel durch Dienen zu verbessern, von ihnen nicht benutzt worden ist

§ 4
Kinder noch unter elterlicher Gewalt dürfen ohne Einwilligung der Eltern, und Minderjährige nicht ohne die ihres Vormundes sich vermiethen und wenn sie nur auf eine bestimmte Zeit gegeben worden, so ist sie auch dann zu deren Verlängerung nöthig. Sonst ist in jenem und diesem Fall der Miethcontract, wenn von den Eltern, oder dem Vormund Widerspruch dagegen geschiehet, jedoch mit Vorbehalt oberlichen Ermessens, ungültig.

§ 5
Diejenigen, welche sich vermiethen wollen, müssen der Herrschaft, bei der sie sich dazu angeben, auf deren Verlangen ein Zeugniß ihrer bisherigen guten Aufführung, oder auch der Geschicklichkeit zu den Arbeiten, wozu sie sich vermiethen, beibringen.

§ 6
Eben so sollen schon gewesene Dienstbohten bei Antritt des neuen Dienstes die rechtmäßige Verlassung des vorigen ihrer neuen Herrschaft bescheinigen.

§ 7
Durch das Geben und Annehmen des Miethgeldes wird der Miethcontract geschlossen, und ist die Herrschaft sowohl, als der Dienstbothe zu dessen Erfüllung verbunden.

§ 8
Nur dann ist es die Herrschaft nicht, wenn nach dem Miethen eine schlechte Aufführung des Dienstbothen, oder eine Unfähigkeit desselben zu dem Dienste, wozu das Miethen geschehen, entstanden ist, da sie denn auch bei so sich aufhebendem Miethcontract das Miethgeld zurückfordern kann.

§ 9
Auch nur dann ist das Gesinde zum Antreten des Dienstes nicht verbunden, wenn es durch einen Zufall, ohne seine Schuld daran verhindert wird, in welchem Fall die Herrschaft mit Zurückgabe des Miethgeldes sich begnügen muß. Erhält aber weibliches Gesinde vor dem Antritt des Dienstes Gelegenheit zu heirathen; so stehet demselben frei, eine andere taugliche Person an seiner Statt zu stellen; könnte es jedoch das nicht; so ist es schuldig, den Dienst auf ein Vierteljahr anzutreten.

§ 10
Weigert sich die Herrschaft das Gesinde anzunehmen, so muß sie die Obrigkeit dazu, oder zur Entschädigung für die Zeit des Miethcontracts worin es keinen andern Dienst erhalten kann, schuldig erkennen, und verliehrt sie dabei das Miethgeld.

§ 11
Will der Dienstbothe den Dienst nicht antreten, so muß ihn die Obrigkeit auf Verlangen der Herrschaft, auch, wenn es nöthig, durch Zwangsmittel anhalten, und beharret er dennoch in seiner Weigerung, und die Herrschaft muß einen andern Dienstbothen an seine Stelle mit mehreren Kosten annehmen, so muß er diesen Schaden ersetzen und das Miethgeld zurückgeben

§ 12
Hat sich ein Dienstbothe bei mehreren Herrschaften zugleich vermiethet; so hat diejenige, welche zuerst das Miethgeld gegeben hat, den Vorzug. Die Herrschaft, welche nachstehen muß, oder sich ihres Anspruchs freiwillig begiebt, kann das Miethgeld zurückfordern, auch muß ihr, wenn sie frühere Vermiethung nicht gewusst hat, der Dienstbothe den Schaden ersetzen, welcher daraus entstehet, dass sie ein anderes Gesinde für höheren Lohn miethen muß. Die Herrschaft, bei welcher der Dienstbothe bleibt, muß auf Verlangen den Betrag des Schadens und das zurückzugebende Miethgeld von seinem Lohn, erforderlichen Falls nach obrigkeitlicher Bestimmung abziehen, und es der andern Herrschaft zustellen, und überdem wird solcher Dienstbothe von der Obrigkeit nachdrücklich bestrafet.

§ 13
Die Zeit und der Tag des Dienstantritts und die Dauer der Dienstzeit muß beym Miethen ausdrücklich vereinbaret werden, und ist es die letzte erweißbar nicht; so wird die eines halben Jahres sowohl in den Städten und Flecken, als auf dem Lande als vereinbaret angenommen. Tritt ein Dienstbothe an dem vereinbarten Tage seinen Dienst nicht wirklich an, so ist der Dienstherr befugt, für jeden Tag später am Lohn des Knechts oder der Magd das Taglohn, welches an jedem Ort bei der Kost gebräuchlich ist, zu kürzen. Das Abgehen des Gesindes geschiehet am Tage nach Ostern und Michaelis, oder am Tage nach Petri, Johannis und Martini, je nachdem die Dienstzeit abläuft.

§ 14
Die Bestimmung des Lohns und der Kost, oder des Kostgeldes, wird auch der Vereinbarung beim Schließen des Mieth-Contracts überlassen, Entstünde aber Beschwerde der Herrschaft, über zu vieles Fordern in der Kost, oder die des Gesindes über zu Weniges oder zu Schlechtes geben derselben, so muß die Obrigkeit nach dem Gebrauch in guten Haushaltungen jedoch mit Rücksicht auf die Vermögens-Umstände der Herrschaft entscheiden, und nach Beschaffenheit des Falls für billiges Verhalten der Herrschaft und für auch billiges Zufriedenseyn des Dienstbothen ernstlich verfügen. Es dürfen aber bei willkührlicher Strafe keinem Knecht statt des Lohnes Ländereien seines Dienstherrn zum Besäen mit Korn überkassen werden, und ist es auch den Knechten bei gleicher Strafe verboten, darauf zu contrahiren. Es bleibt jedoch das Leinsäen auf des Dienstherrn Land für Knechte und Mägde, wenn sie sich mit jenem desfalls darüber vereinbaren, erlaubt.

§ 15
Wenn das Miethen des Gesindes nicht zu bestimmten Geschäften mit Ausschließung anderer geschehen ist; so muß es alle häusliche Verrichtung nach dem Willen der Herrschaft und in der Ordnung es thun, die sie ihm vorschreibt

§16
Das Gesinde ist schuldig seinen Dienst treu, fleißig und aufmerksam zu verrichten und wenn es dabei mit Vorsatz, oder aus grobem Versehen, der Herrschaft Schaden zufüget, solchen zu vergüten. Die Herrschaft kann sich deswegen von dem Lohn des Gesindes entschädigen und wenn daraus, oder aus anderem Vermögen desselben der Ersatz nicht geschehen kann, so muß der Dienstbothe dafür auf eine nach dem Lohn und Schadensbetrag zu bestimmende Zeit unentgeldlich fortdienen, falls sich derselbe nicht schon anderweit ordnungsmäßig vermiethet hat. Wäre dies aber schon geschehen, so kann bei der Obrigkeit Beschlag auf den künftigen Lohn des Dienstbothen bei seiner neuen Dienstherrschaft nachgesucht werden.

§ 17
Das Gesinde ist auch schuldig, außer seinem Dienst, der Herrschaft Bestes zu befördern und Schaden und Nachtheil, so viel es kann, abzuwenden.

§ 18
Es muß also auch, wenn es Untreue des Nebengesindes bemerkt, solche der Herrschaft anzeigen, und thut es das nicht, für allen Schaden, den es durch die Anzeige hätte verhüten können, wenn der Schuldige dazu das Vermögen nicht hat, selbst haften.

§ 19
Eigene Untreue des Gesindes gegen seine Herrschaft durch Entwendung, es sey an Eßwaaren, oder anderm, was zu deren Eigenthum gehört, soll nach Beschaffenheit des Falls mit Gefängniß, mit Anschließen an den Diebespfahl, oder mit dem Zuchthaus bestraft werden.

§ 20
Das Gesinde darf ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft, auch für seine eigene Angelegenheiten, sich nicht aus dem Hause entfernen, noch auch die dazu erhaltene Erlaubniß überschreiten.

§ 21
Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise muß das Gesinde ehrerbietig und bescheiden annehmen, und kann, wenn es dieselbe durch ungebührliches Betragen zum Zorn reitzt und darin von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten behandelt wird, dafür keine gerichtliche Genugthuung fordern. Auch darf sich das Gesinde der Herrschaft nie thätlich widersetzen, außer dem Fall, wenn das Leben, oder die Gesundheit des Dienstbothen durch Mißhandlungen der Herrschaft in gegenwärtige oder unvermeidliche Gefahr käme, in welchem jenem, wenn er durch die Flucht nicht ausweichen kann, die Nothwehr unbenommen bleibt.

§ 22
Wenn das Gesinde sich gegen seine Herrschaft vergeht, so wird es nach Beschaffenheit des Falls mit Gefängniß, oder auch noch härter bestrafet, und die Herrschaft ist befugt, die Arbeit, welche der Dienstbothe während der Strafe nicht verrichten kann, durch einen andern, auf dessen Kosten, besorgen zu lassen.

§ 23
Dagegen ist auch die Herrschaft schuldig, dem Gesinde Lohn und versprochene Kleidung zur bestimmten Zeit und die Kost, wie sie an jedem Ort gebräuchlich ist, bis zur Sättigung zu geben.

§ 24
Die Herrschaft muß dem Gesinde nicht mehrere, noch schwerere Dienste zumuthen, als es, nach seiner Leibesbeschaffenheit und nach seinen Kräften leisten kann. Sie muß ihm auch die nöthige Zeit zum Abwarten des öffentlichen Gottesdienstes lassen, selbst dazu es fleißig anhalten.

§ 25
Zieht ein Dienstbothe durch den Dienst, oder bei Gelegenheit einer Dienstverrichtung ohne sein Verschulden sich eine Krankheit oder körperliche Verletzung zu: so ist die Herrschaft schuldig, für seine Cur und Verpflegung zu sorgen, ohne dafür demselben an seinem Lohn etwas abziehen zu dürfen.

§ 26
Außer solchem Fall ist die Herrschaft nur alsdann zur Vorsorge für , kranke Dienstbothen verpflichtet, wenn dieselbe keine Verwandte in der Nähe haben, welche sich ihrer anzunehmen vermögend und nach den Gesetzen schuldig sind. Verweigerten aber die Verwandten diese Pflicht, so muß die Herrschaft dieselbe bis nach obrigkeitlicher Verfügung oder gütlicher Vereinbarung darüber übernehmen, und kann, wenn sie will, die Curkosten von dem Lohn des Dienstbothen, abziehen, oder sich solche von demselben oder von seinen Verwandten, wenn sie dazu schuldig erkannt erden, erstatten lassen.

§ 27
Tritt die Krankheit erst am Ende der Dienstzeit ein, so hört mit dieser zwar die äußere Verbindlichkeit der Herrschaft für die Cur und Pflege des kranken Dienstbothen zu sorgen auf, nur muß sie davon der Obrigkeit des Orts zeitige Anzeige thun, damit diese für das Unterkommen eines so verlassenen Kranken sorgen könne. Auch darf in keinem Fall bei willkührlicher Strafe der Kranke eher, als bis es ohne Gefahr für seine Gesundheit geschehen kann, außer Haus gebracht werden.

§ 28
Ist aber der Dienstbothe durch Misshandlungen oder auf sonstige Veranlassung der Herrschaft ohne sein grobes Verschulden an seiner Gesundheit beschädigt worden, so muß sie ihn, nach den allgemeinen Vorschriften der Gesetze, schadlos halten. Wie denn auch dem Gesinde für solche Beschimpfung und üble Nachreden, wodurch ihm sein künftiges Fortkommen erschwehret wird, gerichtliche Genugthuung gebühret.

§ 29
Einseitig kann der Mieth-Contract während der Dienstzeit nicht aufgehoben werden und welcher Theil nach Ablauf derselben ihn nicht weiter fortsetzen will, muß ihn drei Monathe vor Ablauf der Dienstzeit aufkündigen. Ist dies nicht geschehen, so wird dadurch der Mieth-Contract auf die nämliche Zeit, worauf er zuerst ward, für verlängert gehalten.

§30
Wenn das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst verlässt so muß es von der Obrigkeit durch Zwangsmittel zu dessen Fortsetzung angehalten, auch noch darüber mit Gefängniß, und geschähe die heimliche Dienstverlassung wiederholend, mit dem Zuchthaus bestrafet werden. Die Herrschaft kann dann in der Zeit der Abwesenheit des Dienstbothen dessen Arbeit auf seine Kosten durch einen andern an seine Stelle miethen und muß jener die mehreren Kosten erstatten. Hätte ein anderer den Dienstbothen zu solcher Contractswidrigen Dienstverlassung verleitet; so wird derselbe von der Obrigkeit dafür ernstlich bestrafet.

§ 31
Gleich und ohne Aufkündigung kann die Herrschaft ein Gesinde entlassen
a) Wenn dasselbe sich beharrlich ungehorsam und widerspenstig gegen die Herrschaft bezeigt, oder diese und deren Familie gar durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden beleidigt, oder durch boshafte Verhetzungen, Zwistigkeiten in der Familie anzurichten sucht.
b) Wenn sich dasselbe in wirklicher Unzucht betreten lässt
c) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt.
d) Wenn es sich des Diebstahls, oder der Veruntreuung gegen die Herrschaft schuldig macht, oder sein Nebengesinde dazu verleitet;
e) Wenn es auf der Herrschaft Nahmen, ohne deren Vorwissen, Geld oder Waaren auf Borg nimmt.
f) Wenn es sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen und Erlaubniß der Herrschaft über Nacht aus dem Hause zu gehen, oder gar zu bleiben.
g) Wenn es gegen vorherige Warnung in Scheunen, Ställen, Holzhöfen, Mistphälen, auf Dreschdiehlen, Böden, Vorrathskammern, oder an andern Orten, wo leicht Feuer fangende Sachen liegen, Taback raucht, oder an solche Orte mit offener Lampe oder Licht gehet, oder sonst Feuer und Licht nicht gehörig verwahret; ohne vorhergeganene Warnung aber, wenn durch dessen Fahrlässigkeit Feuer entstanden ist, oder wenn es sich auch eine solche unverzeihliche Unvorsichtigkeit, die den Ausbruch des Feuers ohne Eintretung eines glücklichen Zufalls veranlasset haben würde, zu Schulden kommen lässt.
h) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird; in welchem Fall jedoch der Obrigkeit vorher Anzeige davon geschehen muß;
i) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bey der Annahme durch Vorzeigung falscher Zeugnisse hintergangen worden ist.

§ 32
Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung verlassen:
a) Wenn es durch Misshandlung der Herrschaft in Gefahr des Lebens, oder der Gesundheit versetzt worden:
b) Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit auschweifender und ungewöhnlicher Härte behandelt hat;
c) Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen, welche wider die Gesetze und guten Sitten laufen, hat verleiten oder es vor dergleichen unerlaubten Anmuthungen gegen Personen, die zur Familie gehören, nicht hat schützen wollen;
d) Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld gänzlich vorenthält, oder ihm selbst die nothdürftige Kost verweigert.

§ 33
Vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorheriger, auf einen Zeitraum von vier Wochen eingeschränkten Aufkündigung kann die Herrschaft einen Dienstbothen entlassen:
a) wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den, nach seiner Bestimmung ihm obliegenden Geschäften ermangelt;
b) Wenn das Gesinde ohne Erlaubniß der Herrschaft seines Vergnügens wegen auszulaufen, oder ohne Noth über die erlaubte Zeit oder zu den Geschäften erforderliche Zeit auszubleiben pflegt, oder sonst den Dienst muthwillig, oder gröblich vernachlässiget.
c) Wenn der Dienstbothe dem Trunk, oder dem Spiele oder der Liederlichkeit ergeben ist, oder durch Zänkereien, oder Zusammenhängereien mit seinem Nebengesinde, oder durch Aufwiegelungen desselben den Hausfrieden stöhret, und sich von solchem Betragen auf geschehene Ermahnung nicht bessert.

§ 34
Dienstbothen können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch nach vorheriger Aufkündigung von vier Wochen den Dienst verlassen:
a) Wenn die Herrschaft den bedungenen Lohn in den festgesetzten Terminen nicht richtig bezahlt;
b) Wenn die Herrschaft das Gesinde einer öffentlichen Beschimpfung eigenmächtig aussetzt:
c) Wenn der Dienstbothe durch Heirath, oder auf andere Art zur Anstellung einer eigenen Wirthschaft Gelegenheit erhält, die er durch Ausdaurung der Miethzeit versäumen müsste, jedoch eine andere taugliche Person in seine Stelle ausmittelt.

§ 35
In allen Fällen, wo die Herrschaft einen Dienstbothen während der Dienstzeit mit oder ohne Aufkündigung zu entlassen berechtiget ist, kann der Dienstbothe Lohn und Kost, oder Kostgeld nur nach Verhältniß der Zeit fordern, wo er wirklich gedienet hat, und das gilt auch von denjenigen Fällen, wo der Dienstbothe zwar vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorheriger Aufkündigung den Dienst verlassen kann.

§ 36
In Fällen, wo der Dienstbothe so fort und ohne Aufkündigung den Dienst zu verlassen berechtiget ist, muß ihm Lohn und Kost für drey Monathe, wofern die noch übrige Dienstzeit nicht früher abläuft, vergütet werden.

§ 37
Eine Herrschaft, die aus andern, als gesetzmäßigen Ursachen das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit entlässt, muß von der Obrigkeit dasselbe wieder anzunehmen und den Contract fortzusetzen angehalten werden. Weigert sie sich dessen beharrlich, so muß sie dem Dienstbothen den Lohn auf die noch rückständige Dienstzeit bezahlen, auch bis dahin für die Kost sorgen.

§ 38
Kann aber das Gesinde noch vor Ablauf der Dienstzeit ein anderweitiges Unterkommen erhalten, so erstreckt sich die Vergütungs-Verbindlichkeit der Herrschaft nur bis zu diesem Zeitpunct, und weiter hinaus nur in so fern, als das Gesinde sich in dem neuen Dienst mit einem geringern Verdienste hat begnügen müssen.

§ 39
Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder anzunehmen bereit, das Gesinde hingegen weigert sich, den Dienst wieder anzutreten, so kann letzteres in der Regel gar keine Vergütung für die noch übrige Dienstzeit fordern.

§ 40
Weiset aber das Gesinde einen solchen Grund seiner Weigerung nach, weswegen es seines Orts den Dienst zu verlassen berechtiget seyn würde; so gebühret demselben die § 36 bestimmte Vergütung. Kann aber das Gesinde der vorherigen Dienst wegen eines inzwischen erhaltenen anderweitigen Unterkommens nicht wieder antreten, so findet die Vorschrift § 38 statt.

§ 41
Das abgehende Gesinde ist schuldig, alles, was ihm zum Gebrauch in seinen Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung anvertrauet worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern und auch während seiner Dienstzeit den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden derselben zu vergüten.

§ 42
Bei dem Abzuge ist die des Schreibens kundige Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen Abschied und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine geleisteten Dienste zu ertheilen schuldig.

§ 43
Werden dem Gesinde in diesem Abschied Beschuldigungen zur Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden; so kann es auf richterliche Untersuchung antragen, und wird dabei die Beschuldigung ungegründet gefunden, so muß die Obrigkeit dem Gesinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft ausfertigen lassen und letzterer außer der sonstigen rechtlichen Verfügung wegen der zur Last gelegten Beschuldigung fernere üble Nachrede bey nahmhafter Geldstrafe untersagen.

§ 44
Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil wider besseres Wissen bezeuget; so muß sie für allen einem Dritten daraus entstandenen Schaden haften. Die folgende Herrschaft kann sich also auch an sie wegen des derselben durch solche Laster, oder Veruntreuungen des Dienstbothen verursachten Nachtheils halten, und soll überdem solche Herrschaft mit einer, nach Beschaffenheit des Falls zu bestimmenden, Geldstrafe belegt werden.

§ 45
Jede Herrschaft und jedes Gesinde kann und muß sich also nach dieser zum Bekanntwerden ins Intelligenzblatt einzurückenden neuen Gesinde-Ordnung richten und Drosten und Beamten auf dem Lande, auch Magisträte und Richter in den Städten und Flecken sollen genau darauf halten und darnach verfahren, auch das Consistorium dafür sorgen, dass sie der Jugend in den niedern Schulen bekannt werde.
 
Gegeben Detmold den 14ten November 1795 F. W. Leopold, Fürst zur Lippe

Zur Übersicht Verordnungen