Verordnung, die Aufhebung des Leib- und Guts-Eigenthums betreffend, von 1808
Abschrift : Klaus Pumpenmeier Bad Salzuflen
Von Gottes Gnaden Wir Pauline Christine Wilhelmine, Souveraine Fürstin, Vormünderin und Regentin zur Lippe, Edle Frau und Gräfin zu Schwalenberg und Sternberg ec. Gebohrne Fürstin zu Anhalt, Herzogin zu Sachsen, Engern und Westphalen, Gräfin zu Ascanien.
Überzeugt, dass die Leibeigenschaft, wenn sie gleich so gemäßigt ist, wie es bisher im Lande war, doch immer nachtheiligen Einfluß auf die Moralität, den Erwerbfleiß und den Credit der Eigenbehörigen hat, finden Wir Uns zur Beförderung des Wohlstandes auch dieser Classe getreuer Unterthanen Landesmütterlich bewogen, nach dem in anderen Bundesstaaten solches Verhältnis aufzuheben, und zu dem Ende folgendes zu verordnen:
§ 1
Alle Unterthanen, die sich bisher in Herrschaftlichem Leibeigenthum befanden, ihre Leibeigenschaft mochte nun bloß persönlich, oder mit dem Besitz eines Gutes verbunden seyn, sind daraus vom 1sten Januar des nächstkünftigen Jahres an entlassen, und von der Lösung eines Freybriefes und von der Entrichtung des Sterbfalls, der nicht schon vorher fällig geworden war, entbunden.
§ 2
Die auf ihren Gütern haftenden, durch Gesetz, Vertrag oder Herkommen bestimmten Verbindlichkeiten zu Spann- oder Handdiensten, Zins und Pachtgefällen, und anderen Geld- und Natural-Abgaben bleiben zwar unverändert. Hingegen höret die Entrichtung des Weinkaufs, die für den neuen Besitzer eines Guts bey dessen Antrit oft drückend war, sowohl von den zugleich eigenbehörigen und Gutsherrlichen, als von den blos Gutsherrlichen Colonaten von eben dieser Zeit auf.
§ 3
Ferner werden die Consense zur Verpfändung oder zum Verkauf solcher Güter oder eines Theils derselben nicht mehr bey Unserer Vormundschaftlichen Rentkammer nachgesucht, noch dafür an diese Consens- und Recognitionsgelder entrichtet, sondern es tritt deshalb künftig nur dasjenige ein, was die Landesgesetze und besonders die Hypothekenordnung vom 12ten März 1771 zur gültigen Verpfändung und Veräußerung der Colonate Leib- und Weinkaufsfreyer Unterthanen erfordern. Und da bey jenen Colonaten nach Aufhebung des Leib- und Gutseigenthums gleiche Successionsrechte wie bey diesen gelten: so findet auch kein Heimfall derselben, noch des von den bisher leibeigenen hinterlassenen übrigen Vermögens mehr Statt; so wie es der Meyerbriefe nicht weiter bedarf.
§ 4
Zur billigen Vergütung für obige dem Staate verlohren gehende, bisher gesetzlich und zum Theil in dem Obereigenthum gegründete Abgaben und Nutzungenist vom Anfange des nächstkünftigen Jahres an von jedem bisher im Herrschaftlichen sowohl Leib- als auch Gutseigenthume gestandenen Colonate ein jährlicher Canon zu Einem Mariengroschen von jedem Thaler seines Catastermäßigen Taxatums zu entrichten. Dieser den Verlust nicht ersetzende Canon wird bey denjenigen Colonaten, die der Landesherrschaft entweder nur Sterbfalls- oder nur Weinkaufspflichtig sind, auf die Hälfte, und bey denjenigen, die nur halben Sterbfall oder Weinkauf entrichten, noch weiter verhältnismäßig herabgesetzt, jedoch bey den wenigen Colonaten, die in solchen Prästationen zu sehr von der Regel abweichen, noch nicht eingeführt, sondern es bey ihren Prästationen vorerst belassen; über welches alles das Reglement aus Unserer Vormundschaftlichen Rentkammer nächstens an die Aemter ergehen soll.
Da aber obiger Maaßstab in den Aemtern Sternberg und Schieder noch zur Zeit, bis darin der Cataster vollendet ist, keine Anwendung findet: so soll das von den sich darin befindenden Herrschaftlich Eigen- und Gutsbehörigen zu übernehmende Vergütungs-Fixum nach gleichen billigen Grundsätzen durch besondere Regulative interimistisch bestimmt werden.
§ 5
In gleicher Art wird auch das Privat-Leibeigenthum mit den, dem Privat-Gutsherrn zustehenden ungewissen Nutzungen gegen eine billige Entschädigung aufgehoben. Da indessen die Bestimmung dieser eine vorherige Ausmittelung der von der Privat-Eigenbehörigen und von den im Privat-Gutseigenthum stehenden Colonaten bisher entrichteten Leibeigenthums- und unständigen Gutsherrlichen Gefälle, und wie viel solche seit 30 Jahren betragen haben, erfordert: so soll Unsere Vormundschaftliche Regierung den Beamten, in deren Districte die Privat-Eigen- und Gutsbehörigen wohnen, solche Untersuchung mit angemessener Vorschrift fördersamst auftragen; und bis zu ihrer unverzüglichen Vollziehung können die Leib- und Gutsherren die inzwischen eintretenden Sterbfälle, Weinkäufe und übrigen Gefälle erheben.
§ 6
Gleichwie mit der Aufhebung der Leibeigenschaft überhaupt alle mit dieser wesentlich verknüpften Verhältnisse aufhören, und der Leibeigene in den Stand der Leib- und Weinkaufsfreyen Unterthanen auf dem Lande und in deren Rechte und Verbindlichkeiten tritt: so ist auch künftig keinem gestattet, sich durch Vertrag, Geburt oder durch Verjährung das Leibeigenthumsrecht über einen Unterthan zu erwerben, oder sich in den Stand der Leibeigenschaft zu begeben.
§ 7
Diese Verordnung hat vorerst auf die Aemter Schwalenberg und Lipperode keine Anwendung, sondern es bleiben solche einstweilen davon ausgenommen.
Damit sie allgemein bekannt werde, ist sie von den Kanzeln zu verlesen, an den gewöhnlichen Orten anzuschlagen, und dem Intelligenzblat einzurücken
Gegeben Detmold den 27ten Dezember 1808
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