Der Genealogische AbendNaturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V. |
Das Grabmal Bernhards VII. zur Lippe Text: Heinz Walter Rolf: Blomberg Geschichte - Bürger - Bauwerke Der künstlerisch schönste Schmuck der Blomberger Kirche ist die Doppeltumba des Klostergründers und seiner Gemahlin Anna von Holstein-Schaumburg. Das Grabmal befindet sich heute im Chor hinter dem Altar, nachdem es seinen Platz noch vor kurzem im Mittelschiff gehabt hatte. Kunstkenner bezeichnen es als eines der schönsten Zeugnisse spätmittelalterlicher Bildhauerkunst in ganz Westfalen. Daß es bis heute erhalten ist, verdanken wir wahrscheinlich dem Erbauer des Hermannsdenkmals, Ernst von Bandel. Diesem hatte man nämlich im Jahre 1838 den Auftrag erteilt, ein Gutachten über das Denkmal zu erstellen, nachdem behauptet worden war, es sei nicht aus Naturstein, sondern aus profanem Gips gefertigt. Werken Brabenders in Münster, wie sie vor allem Paul Pieper angestellt hat, erlauben jedenfalls keinen Zweifel an der Tatsache, daß Heinrich Brabender der Schöpfer der Blomberger Tumba war, wenn auch vielleicht Gesellen seiner Werkstatt daran mitgewirkt haben. Das Grabmal hat eine Länge von 1,70 m, ist 1,38 m breit und hat eine Höhe von 1,46 m. Die Figuren in Lebensgröße (etwa 1,70 m). Es gibt keine bessere Beschreibung als die von Paul Pieper, so daß wir diese in Auszügen folgen lassen: „Die Häupter des auf der Platte liegenden Paares weisen nach Westen, an der westlichen Schmalseite der Wandung ist Christus als Schmerzensmann in einem sechsseitigen Brunnen dargestellt, begleitet von den Verstorbenen, die ihn kniend anbeten. An der entsprechenden Schmalseite nach Osten hin sieht man die Ansicht einer Kirche, bei der es sich offensichtlich um die noch bestehende Kirche in der Ansicht von Süden her handelt. Die Längswände des Sarkophages sind durch jeweils sieben Nischen, von gotischem Maßwerk gerahmt, gegliedert. Als Abschluß dient ein vielfach profilierter Sockel, der etwa so weit wie die Deckplatte ausladet. Auf der Platte liegen die beiden Verstorbenen etwa in Lebensgröße nebeneinander. Sie sind wie schlafend dargestellt, die Häupter auf Kissen ruhend, die zusammengelegten Hände des Ritters gesenkt, die der Dame zur Brust erhoben. Er trägt eine knappe, wenig verzierte Rüstung, ohne Helm, darüber einen weiten Mantel mit Pelzkragen, dessen Ärmel weite Falten werfen und in einem großen Aufschlag enden. Am Hals hält eine aus Ringen gebildete Kette den Mantel zusammen. Unter dem linken Arm hält er das lange, an der Scheide ornamentierte Prunkschwert mit gedrehter Parierstange, den Griff mit einem Band umwunden. Um das volle Gesicht legen sich reiche Locken, der Ausdruck ist ernst, dabei milde. Man glaubt nicht, einen Mann vor sich zu sehen, der im Alter von 82 Jahren gestorben ist. Die Gattin neben ihm, die bereits 1495 starb, trägt einen weiten, flie ßenden Mantel über einem Kleid, dessen gemusterte Borte am Hals zu sehen ist, dazu eine Kette mit einem Anhänger, auf dem der heilige Eustachius, vor dem Hirsch kniend, erscheint. Eine ungewöhnliche Form hat die Haube, von einem breiten Streifen, der sich über die Stirn legt, strahlt radial ein Faltensystem aus. Auch die Spitzen der Schuhe unter dem Kleid sind gemustert, die Ärmel mit Pelz besetzt. Mann und Frau stehen auf Löwen, deren Köpfe hinter den dreipaßförmigen Wappenscheiben, die sich an die Füße lehnen, hervorschauen. Gerahmt wird die Platte mit den Figuren durch schlanke Fialen rechts und links, auf denen sich über den Häuptern zwei Baldachine entwickeln. Diese bestehen aus einem doppelten Kielbogen mit Maßwerk, der gewölbeartig ausgebildet ist. Den Abschluß der Baldachine bilden Wappenplatten, deren Rahmen von denen zu Füßen der Figuren abweichen. Auffallend ist, daß im Herzschild des Wappens der Dame, das dort leer war, hier die lippische Rose erscheint." Bis ins kleinste Detail hat der Bildhauer, dem Kunstverständnis seiner Zeit folgend, sein Werk gestaltet. Man beachte noch die beiden Wappen zu Füßen des Herrscherpaares, den wunderschönen Faltenwurf von Annas Kleid, das schmückende Kleinod auf ihrer Haube, die feingemeißelten Dekorationen auf den Kopfkissen. Von Brabenders eigener Hand sind sicher auch die Darstellungen an der westlichen Schmalseite der Tumba. In den drei kielbogig überdachten Nischen befindet sich in der Mitte das ergreifende Bildnis Jesu Christi, wie er, versehen mit der Dornenkrone, den Wundmalen, Geißel und Rute, aus dem Wunderbrunnen aufersteht, in den ihn die unglückliche Alheyd in Form der geweihten Hostien geworfen hatte. Hinzugefügt auch hier, in etwas naiver Weise, die lippische Rose und das schaumburgische Nesselblatt. In den schmaleren Nischen links und rechts befinden sich die anbetenden Figuren Bernhards und Annas mit ihren Schutzheiligen, hinter Bernhard der Apostel Andreas, hinter Anna der Apostel Jakobus d. Ä. mit Pilgerstab und Pilgerhut. Schön gestaltet auch hier der Faltenwurf der Gewänder, die Ritterrüstung des Edlen Herrn Bernhard, sein Schwert und der vor ihm liegende Helm. Sogar ein Ring an seiner rechten Hand wurde nicht vergessen. Bewunderswert ist die gesamte Komposition dieser drei Nischen, ihre Zuordnung zueinander, aber auch die Anordnung der einzelnen Figuren, die ja nur als Halbreliefs gestaltet werden konnten. Von in künstlerischer Hinsicht weniger großer Bedeutung stellt sich die östliche Schmalseite der Tumba dar. Zwischen zwei schmalen Leernischen befindet sich, oben ganz typisch durch einen ovalen profilierten Bogen abgeschlossen, das Reliefbild der Blomberger Kirche, deren Bau ja von Bernhard VII. begonnen und reichlich mit Geldmitteln gefördert worden war. Es handelt sich um die Schauseite, d. h. die Südansicht des Gotteshauses. Grundsätzlich entspricht das Relief der tatsächlichen Architektonik des Bauwerks, aber es gibt auch Abweichungen davon, z. B. ist die Höhe der Kirche auf der Abbildung falsch dargestellt (viel zu hoher Sockel unter den Fenstern). Fraglich ist, ob die Kirche, wie hier abgebildet, jemals einen Dachreiter besessen hat. Zur Aufnahme von zwei kleinen Glocken diente, wie schon ausgeführt, der kleine Erker an der Südwestecke des Dachstuhls. Wahrscheinlich ist, daß das Dach des Chores ehemals niedriger war als heute und daß die zwei Dreiecksgiebel ursprünglich keine Fachwerk-, sondern Steingiebel waren. Ganz überraschend und nur im Zusammenhang mit der Geschichte des Klosters zu verstehen sind die beiden figürlichen Darstellungen auf dem Relief der Kirche. Unter dem linken Fenster des Seitenschiffes erscheint in einer rundbogigen Öffnung das Bildnis eines Geistlichen. Die rechte Hand hält ein Kreuz, die linke weist darauf hin. Die Art und Weise, wie auf dieses Kreuz aufmerksam gemacht wird, zeigt seine besondere Bedeutung. In der Tat wurde in Blomberg ein Reliqiuenkreuz besonders geehrt, das in einem Abla ßbrief des Paderborner Weihbischofs Johannes von 1504 (Lipp. Reg. Nr. 2916) Erwähnung findet. Es handelt sich um das kultisch wertvollste Stück des umfangreichen Blomberger Reliquienschatzes, das Kreuz aus Livland. Ein Ritter Konrad von Exter hatte dieses Kreuz im Jahre 1502 vor den schismatischen Russen aus einer brennenden Kirche gerettet und es aus Dankbarkeit für seine glückliche Rückkehr der Wallfahrtskirche in Blomberg geschenkt. Was aus dieser und den anderen kostbaren Reliquien geworden ist - wer vermag es zu sagen? Die Reformation sorgte hier zwangsweise für eine Beendigung der kultischen Wucherungen (Ablaßwesen, Reliquienverehrung etc.), die auch von den an sich reformfreudigen Augustinerchorherren des Blomberger Klosters mitgetragen worden waren. Die zweite figürliche Darstellung zeigt im südlichen Eingangsportal der Kirche die Missetat, welche eigentlich zum Bau der Kirche Veranlassung gegeben hatte: Frau Alheyd wirft die 45 geweihten Hostien in den Brunnen im Seligen Winkel. Allerdings ist Alheyd hier, anders als auf dem oben beschriebenen Pilgerzeichen, nicht als schändliche Hexe, sondern als eine einfache Bürgersfrau dargestellt. Die zwei Langseiten der Tumba sind durch je sieben Nischen gegliedert, deren Kielbögen reiche Maßwerkverzierung aufweisen. Zweifellos waren die Nischen zur Aufnahme von Figuren gedacht, wie die eckig ausgebildeten Konsolen deutlich zeigen. Es ist oft behauptet worden, in den Nischen hätten Plastiken der vierzehn Nothelfer gestanden. Nach den Forschungen Paul Piepers (LM 34 S. 29ff.) können wir jedoch heute davon ausgehen, daß es sich bei den Plastiken nicht um die Nothelfer, sondern um Figuren von Trauernden, Leidtragenden (franz. „Pleurants") gehandelt hat, von denen möglicherweise sogar ein Stück bis zum heutigen Tage erhalten ist. Bis vor wenigen Jahren wurde nämlich in der Blomberger Kirche die 31 cm hohe Figur eines trauernden Mannes aufbewahrt, die nach Stil, Material und Gr öße durchaus in eine der vierzehn Nischen gepaßt haben könnte. Kommen wir zum Schluß noch einmal zu der Platte zurück, auf der das Herrscherpaar liegt. Sie schließt mit einer profilierten Schräge ab, auf der die Grabschrift für die Verstorbenen sowie insgesamt 16 Wappen eingemeißelt sind. Die lateinische Inschrift lautet nach Auflösung aller Kürzel, wie sie seinerzeit in Gebrauch waren, wie folgt: Inschrift des Grabdenkmals Bernhard's VII. [zur Lippe] in der Kirche zu Blomberg
Anno domini MCCCCCXI obiit illustris dominus bernhardus de lippia . fundator huius monasterii et promotor maximus usque ad finemvitae . cuius anima requiescat in pace . amen. Anno domini MCCCCXVC obiit illustris domina anna de lippia comitissa holtsacie et in schouwienberch altera die mauricii . hic sepulta . cuius anima requiescat in pace . amen. Was die 16 Wappen betrifft, so hatte schon Pieper (a. a. O.) darauf hingewiesen, da ß es sich hierbei nur um die Wappen von Bernhards Vorfahren handeln könne. Dies wurde inzwischen durch die Forschungen Peter Veddelers vom Staatsarchiv Detmold bestätigt (LM 43, 1974, S. 19 - 32). Veddeler konnte dabei sogar genealogische Fehler nachweisen, die er auf unzulängliche Kenntnisse zur Zeit der Entstehung des Grabmals zurückführt. Immerhin stimmt die Ahnenreihe Bernhards bis zur urgroßväterlichen Generation mit den heutigen Forschungen überein. Bleibt zu erwähnen, daß die Reihenfolge der Wappen auf dem Grabmal, von der lippischen Rose abgesehen, völlig willkürlich angeordnet ist. Im folgenden die 16 Wappen in der gegebenen Reihenfolge und mit den - leider nicht mehr vorhandenen - Farben:
Grab zur Linken in der [ev.-ref. Kloster-]Kirche
Sarkophag Bernhard VII. zur Lippe und seiner Gattin Anna von Holstein-Schaumburg, Kopfteil
Sarkophag Bernhard VII. zur Lippe und seiner Gattin Anna von Holstein-Schaumburg Fußteil
Grab zur Rechten in der [ev.-ref. Kloster-]Kirche
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